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Gericht glaubt Polizei nicht mehr

Im G20-Elbchaussee-Prozess will sich das Gericht zukünftig nicht mehr auf Aussagen der Polizei stützen. Auf Polizeiberichte sei „wenig Verlass“, auch die Videos der Polizei seien „suggestiv bearbeitet“ worden

Zeugen sollen Polizeivermerke als „Quatsch“ bezeichnet haben.

Im Strafprozess um die gewalttätigen Ausschreitungen auf der Elbchaussee während des G20-Gipfels 2017 in Hamburg äußert das Gericht Zweifel an der Ermittlungsakte der Polizei. Auf das „geschriebene Wort“ sei „wenig Verlass“, soll es in einem Beschluss der zuständigen Strafkammer des Landgerichts Hamburg heißen.

Angeklagt sind vier Deutsche und ein Franzose. Gegen sie wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen schweren Landfriedensbruch vor. Sie sollen für alle Sachschäden haften, die aus dem Aufmarsch heraus verursacht worden sind: Die Summe soll sich auf rund eine Million Euro belaufen.

Nach Recherchen des NDR sollen Zeugen bei ihrer Vernehmung während der Hauptverhandlung Aussagen, die die Polizei in deren Namen in der Ermittlungsakte vermerkt hatte, entschieden bestritten haben. Zeugen sollen Polizeivermerke gar als „Quatsch“ bezeichnet und beteuert haben, sie hätten solche Aussagen nie gemacht. Nach Recherchen des NDR wollen sich die Richter darum nicht mehr auf „weitere Polizeivermerke“ verlassen und laden stattdessen deutlich mehr Zeugen vor als ursprünglich geplant.

Die Richter sind nach der Vernehmung des Ermittlungsführers der Polizei außerdem zu dem Schluss gekommen, dass auf dessen Abschlussbericht „nur wenig gestützt werden kann“, nachdem der Beamte in seiner Vernehmung selbst angebliche Ermittlungsergebnisse als „Arbeitshypothesen“ bezeichnet hatte.

Auch die Videos vom Aufmarsch auf der Elbchaussee seien nicht so aussagekräftig, wie es zuerst schien. Das gelte besonders dann, wenn man die Videos ohne die – aus Sicht der Richter – „suggestiven Bearbeitungen“ der Polizei anschaue.

Auf Anfrage bestätigte ein Gerichtssprecher die Recherchen des NDR. Auch die Äußerung der Kammer, dass „auf das in der Akte ‚geschriebene Wort‘ wenig Verlass sei“, treffe zu. Mit dieser Äußerung, so der Sprecher, sei allerdings nicht gemeint, dass Sachverhalte von der Polizei falsch dokumentiert worden seien, sondern lediglich nicht erschöpfend.

Ursprünglich sei das Oberlandesgericht davon ausgegangen, die Verlesung polizeilicher Ermittlungsvermerke werde die Anzahl der persönlichen Zeugenvernehmungen während der Hauptverhandlung überschaubar halten. Diese Erwartung, so der Gerichtssprecher, habe sich nicht bestätigt.

Der Prozess wird daher mindestens bis zum September dauern – ursprünglich wurde ein Urteil im Mai erwartet. (dpa)

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