Nur durch sein Amt ist Trump noch geschützt

In einem offenen Brief erklären Hunderte ehemalige US-Staatsanwälte, dass die gegen Trump vorliegenden Fakten für ein Verfahren wegen Justizbehinderung reichen würden

Verhält sich wie Trumps persönlicher Anwalt: US-Justizminister William Barr bei seiner Aussage vor dem Justizausschuss des Senats Foto: Andrew Harnik/ap

Von Dorothea Hahn, New York

Nur das Weiße Haus schützt Donald Trump noch vor einer Anklage. Zu dieser Schlussfolgerung kommen mehr als 450 ehemalige StaatsanwältInnen in den USA, die für Regierungen beider Parteien gearbeitet haben. In einem offenen Brief werfen sie dem US-Präsidenten „Justizbehinderung“ in zahlreichen Fällen vor. Die „überwältigenden Beweise“ entnehmen sie dem Bericht von Sonderermittler Mueller, obwohl der weiterhin nur in einer zensierten Fassung vorliegt. Zu Trumps mutmaßlichen Straftaten zählen die StaatsanwältInnen die ­wiederholten Anläufe des Präsidenten, die Russland-Ermittlungen zu behindern, sie einzuschränken und den Sonderermittler zu feuern. „Bei jeder anderen Person“ würde dergleichen vor Gericht führen, schreiben sie.

Parallel zu den Ex-StaatsanwältInnen befassen sich auch verschiedene Ausschüsse im Repräsentantenhaus, wo die DemokratInnen seit Januar die Mehrheit halten, mit der Justizbehinderung. Da sie – vorerst zumindest – keinen Zugriff auf Trump haben, organisiert der Justizausschuss am Mittwoch zunächst ein Votum über dessen Justizminister. Der Ausschuss plant, William Barr wegen „Missachtung des Kongresses“ zu tadeln. Ein solches Votum kann den Druck zu Barrs Rücktritt und zu Ermittlungen gegen ihn verstärken.

Justizminister Barr verhält sich, als wäre er der persönliche Verteidiger von Trump. Nachdem er Ende März den über 400 Seiten langen Mueller-Bericht erhielt, veröffentlichte er eine knapp vierseitige „Zusammenfassung“, die so tendenziös war, dass selbst sein gewöhnlich zurückhaltender Kollege und langjähriger Freund Robert Mueller sich in einem Brief darüber beklagte. Im April, als Justizminister Barr dem Kongress und der Öffentlichkeit eine – wenngleich immer noch zensierte – Langfassung des Mueller-Berichtes vorlegte, interpretierte Barr den Bericht erneut, als wäre er ein Freispruch für den US-Präsidenten. In der vergangenen Woche schließlich geriet Barr vor dem Justizausschuss in Bedrängnis. Wenige Tage später, als er erneut vor einen Ausschuss geladen war, ging Barr gar nicht erst hin. Und die unzensierte Version des Mueller-Berichtes hält er weiterhin unter Verschluss.

Trump kontert mit einer Flucht nach vorn und Manövern zur Ablenkung

Barr ist nicht das einzige Regierungsmitglied, das die Arbeit des Kongress aktiv behindert. So erklärte am Montag Finanzminister Steven Mnuchin, dass er Trumps Steuererklärungen der letzten sechs Jahre, deren Herausgabe ein Ausschuss des Repräsentantenhauses verlangt hatte, nicht freigeben wird. Dafür gebe es keinen „gesetzgeberischen Zweck“ begründete Mnuchin. Der Präsident persönlich versucht, einen Auftritt von Ex-Sonderermittler Mueller vor Kongressausschüssen zu verhindern. In seinem Bericht hatte Mueller von einer Anklage Trumps wegen Justizbehinderung abgesehen. Doch er hat ihn auch nicht frei gesprochen. Stattdessen hat Mueller ausdrücklich auf eine seit 1973 geltende Lesart des Justizministeriums verwiesen, wonach ein US-Präsident im Amt nicht angeklagt werden kann. Vor allem demokratische Abgeordnete verstanden diese Hinweise von Mueller als Auftrag, um die Ermittlungen gegen Trump auf die Kongress-Ebene zu hieven. Ob sie dabei auf Muellers Unterstützung rechnen können, ist noch offen.

Trump kontert StaatsanwältInnen und Opposition mit einer Flucht nach vorn und Ablenkungsmanövern – darunter Attacken gegen die Demokratische Partei und gegen seine unterlegene Widersacherin Hillary Clinton sowie dem Vorwurf, die Mueller-Ermittlungen hätten seiner Präsidentschaft zwei Jahre „gestohlen“. Für seinen persönlichen Schutz instrumentalisiert der Präsident neben Ministern seiner Regierung auch die Republikanische Partei und Twitter. Dort behauptet er beständig und in Großbuchstaben, von Mueller weiß gewaschen worden zu sein.