: „Nicht mehr am Rand“
Carsten Busch ist Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Für die größte Fachhochschule Ostdeutschlands hat er sich einiges vorgenommen
Carsten Busch
ist Diplom-Informatiker und hat 1997 an der TU Berlin promoviert. Seit 2006 ist er Professor für Medienwirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Seit dem 1. April 2019 ist er Präsident der HTW Berlin.
Von Manfred Ronzheimer
taz: Herr Busch, die HTW ist Berlins größte Fachhochschule: Wo steht sie derzeit, und wo will sie noch hin?
Carsten Busch: Mit über 14.000 Studierenden sind wir sogar die größte Hochschule für angewandte Wissenschaften in Ostdeutschland. Inhaltlich mit einer fast schon universitären Breite: vom Design über digitale Techniken bis zur Betriebswirtschaft und Governance. Unser großes Ziel ist die räumliche Zusammenführung am Standort Oberschöneweide. Ein Drittel befindet sich noch in Karlshorst, in den Räumen der früheren Hochschule für Ökonomie. In Schöneweide – einem Industriestandort mit über 100 Jahren Tradition – können wir unsere Kräfte besser konzentrieren.
Welche Aufgaben wollen Sie als Präsident und Ihr Leitungsteam jetzt vorrangig anpacken?
Derzeit arbeiten wir an einem Hochschulentwicklungsplan. Dabei geht es auch darum, wie neue Studieninhalte finanziert werden können. Derzeit bekommt die HTW im Jahr 70 Mio. Euro Grundfinanzierung vom Senat und rund 10 Mio. an sogenannten Drittmitteln über externe Forschungsaufträge. Wir wollen noch mehr als bisher die Wissenschaft mit der Gesellschaft in Verbindung bringen. Ich habe dazu einen „Innovationspakt“ vorgeschlagen, über den die Hochschule sich etwa aktiv für Wirtschaftsförderung im den Bezirk einsetzt wie für urbane, ökologische und soziale Tradition.
Vom einstigen Ruhm Oberschöneweides als „Elektropolis“ ist nicht mehr viel übrig. Was erwarten Sie vom Strukturwandel für das Gebiet?
Die Historie birgt in der Tat auch eine Herausforderung. Aber der Strukturwandel, die Konversion eines ganzen Stadtteils von der klassischen Industrieproduktion in die Produktion von Wissen und Technologie, ist längst im Gang. Unser Anteil als Hochschule daran ist es, bei der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze durch Ausbildung und technische Innovation mitzuwirken. Und zugleich bringen wir mit den vielen jungen Menschen frisches Leben an den Standort. Wenn in zwei oder drei Jahren der Flughafen BER betriebsbereit sein wird, ist Schöneweide nicht mehr Stadtrandlage, sondern wird zu einer Art Eingangs-Areal für Berlin. Das bringt den nächsten Schub.
Der Kiez galt in den letzten Jahren als eine Hochburg der Rechtsradikalen. Gab es Übergriffe auf ausländische Studierende? Wie hat die HTW darauf reagiert?
Ich meine, dass sich die politische Situation heute entspannt hat. Die stadtbekannte Nazi-Kneipe in Oberschöneweide ist inzwischen geschlossen. Und von Übergriffen auf Hochschulangehörige ist mir aktuell nichts bekannt. Dennoch sehe ich einen Trend zur gesellschaftlichen Polarisierung, der besorgt machen muss, zumal er einhergeht mit einem Anwachsen des Wissenschaftsskeptizismus. Die Hochschule muss sich gerade solchen Themen stellen, die gesellschaftlich umstritten sind, und der Frage nach „Demokratie- und Konfliktkultur in Hochschulen“. Für mich ist ganz zentral, die Offenheit und die Vielfalt der HTW zu bewahren.
Wie bringen sich die Studentinnen und Studenten in den Kiez ein? Wächst eine neue akademische Infrastruktur um die Hochschule herum, auch durch junge Gründerfirmen? Ist schon alles da, oder fehlt noch was?
Wir stehen in dieser Hinsicht erst am Anfang einer Entwicklung. Natürlich zieht es viele jenseits des Studiums wieder in die Innenstadt, wo kulturell mehr los ist. Aber das kann sich ändern. Um die Studierenden in Oberschöneweide stärker zu integrieren, ist die Schaffung von studentischem Wohnraum essentiell. Wir könnten sicher noch mindestens 1.000 weitere Wohnheimplätze in der Nähe verkraften. Auch bei der Förderung von studentischen Ausgründungen wollen wir noch zulegen.
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