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Ausgeblendete Akteure

Der Senat hat mit seinem sechsten Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Bremen zwar eine klare Analyse vorgelegt, die Rolle des Hauptakteurs AfD wird allerdings nicht reflektiert

Zieht „klassische“ Rechtsextreme magisch an: die Identitäre Bewegung Foto: Paul Zinken

Von Andreas Speit

Den sechsten Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Land Bremen hat in der vergangenen Woche Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) dem Senat vorgestellt – und obwohl er 150 Seiten umfasst, wird das Agieren der Bremer AfD um ihren Landesvorsitzenden Frank Magnitz dort nicht in Gänze dargestellt.

Dem Bericht war ein Beschluss auf Antrag der Fraktionen der SPD und Grünen vom 5. Dezember 2017 vorangestellt. Dort betonten die Antragsteller, dass „seit dem Einzug der AfD“ in den Bundestag, „nicht mehr hinter vorgehaltener Hand, sondern öffentlich (…) rechtsextreme und menschenverachtende Positionen zur Schau getragen“ werden und heben hervor, dass die „offene Zustimmung“ wirke, Politiker würden „nun ankündigen, die ‚rechte Flanke schließen‘“ zu wollen. Es habe sich zudem „weit mehr geändert als nur die Diskussionskultur“, warnen sie weiter: „Wir haben es zunehmend mit inakzeptablen, offen antisemitischen, rechtsex­tremen und fremdenfeindlichen Äußerungen zu tun, die unsere demokratische, vielfältige Gesellschaft bedrohen.“

Den Bericht hat der Senator für Inneres in Zusammenarbeit mit weiteren Ressorts federführend erarbeitet, nicht ohne auf „offen verwertbare Informationen“ des Landesverfassungsschutzes (LVS) zurückzugreifen. Die interessierte Öffentlichkeit wird hier kaum neue Informationen zu den verschiedenen Szenen finden.

In dem Bericht wird betont, dass „Mischszenen“ heute dieses Spektrum ausmachen und die klassischen Organisationsformen die rechte Szene nur noch wenig kennzeichnen. Der Trend der Auflösung von Gruppen, die auch das rechtsextreme Hooligan-Spektrum betreffe, ginge „mit einer informellen Vernetzung von Rechtsextremisten in breit aufgestellten Communities einher“. Die Band „Kategorie C“ sei eines der „Bindeglieder zwischen Hooligan- und der rechtsextremistischen Szene“.

Der Organisationswandel offenbart sich auch bei der NPD: Von 2013 bis 2017 halbierte sich ihre Landesmitgliederzahl auf 20. Auch die Freien Nationalisten und Jungen Nationaldemokraten verließen Protagonisten, sie gingen zur Identitären Bewegung (IB). Die Wirkungsmacht der IB Bremen offenbart der Bericht durch eine Analyse des Facebook-Profils. Mit ihrem „Aktivismus“, ihrer „Selbstinszenierung“ und ihrer „Vermeidung von Termini, aus denen sich der ideologische Unterbau“ erschließen ließe, übten die Identitären eine „vergleichsweise große Anziehungskraft“ aus.

Die enge Verbindung der Jungen Alternative (JA) – der Jugendorganisation der AfD – zur rechtsextremen IB stellt der Bericht ebenfalls dar. Mit einer Interaktionsanalyse des Facebook-Profils der Bremer JA wird überdies festgestellt, dass die „Bremer im Bundesvergleich die höchste gemeinsame Schnittmenge mit rechtsextremistischen Interaktionären von NPD und ‚Identitärer Bewegung‘ aufwiesen“, die „inhaltlich vor allem ‚Bedrohungsszenarien‘ zu ‚kriminellen Ausländern‘, ‚islamistischen Terrorismus‘ oder ‚Linksextremismus‘“ aufbauen würden.

Das Agieren via Facebook erfasst der Bericht auch mit Wortanalysen. Die „größte Wirkung“ erzielt danach erneut die IB mit 62 Prozent der „Gefällt mir“-Markierungen. Insbesondere der „Beitragstyp Foto“ erfahre die „größte Öffentlichkeitswirkung“. Als „relevante Facebook-Profile“ wurde aber nur die NPD-Bremen und -Bremerhaven beachtet.

Der Bericht beschönigt gleichwohl nichts. Die Interaktionsmessungen in den sozialen Netzwerken belegen danach den Einfluss von Rechtsextremisten in den Communitys. Hier gewinne sie an Zustimmung. Die Ressentiments stiegen gegen Geflüchtete und Juden. Mit der „Anschlussfähigkeit“ sinke die Abgrenzung zu „rechtsextremistischen Bestrebungen“.

Der Wandel in der rechten Szene offenbart sich bei der NPD: Von 2013 bis 2017 halbierte sich die Zahl ihrer Landesmitglieder

In diesem Kontext werden die Straf- und Gewalttaten von rechts betrachtet. Im Fazit wird erneut betont: Um „die Anschlussfähigkeit“ in „der ‚Mitte‘ zu steigern“, werde sich des „Populismus“ bedient. Die Grenzen zwischen Rechtsextremisten und Protestbürgertum verschwämmen zunehmend.

Mit dem Verweis, dass der LVS der erste gewesen sei, der die IB beobachtete und mittlerweile ebenso die JA und den „Flügel“, hebt der Senat hervor, dass „Bremen (…) einen bedeutsamen Beitrag im Kampf gegen neue rechtsextremistische Erscheinungsformen geleistet“ habe. Auf Nachfrage der taz, warum die AfD Bremen nicht ausführlich dargestellt wird, folgte allerdings keine Argumentation.

Die Pressestelle des Innensenators betont, dass der AfD „eine herausragende Rolle“ beim Transportieren von diffamierenden Stereotypenbildern beizumessen sei, der Bericht gehe deswegen auch auf die JA und den „Flügel“ ein, jedoch: „Darüber hinaus machen wir zur AfD in Bremen derzeit keine weiteren Angaben.“

Mit dieser Ausblendung des zentralen Akteurs für die Erosionen in dem Bericht darf das Selbstlob hinterfragt werden – oder, angelehnt an Max Horkheimer: Wer aber von der ganzen AfD nicht reden will, sollte auch vom anhaltenden Rechts­trend schweigen.

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