Immobilienlobby wehrt sich

Neues Gutachten hält Enteignung von Wohnungskonzernen für rechtswidrig

Von Malene Gürgen

Keine Überraschung: Ein vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die von einer Initiative angestrebte Enteignung der größten Berliner Wohnungsunternehmen per Volksbegehren verfassungswidrig sei.

Diese Auffassung hatte die BBU-Vorsitzende Maren Kern bereits in der Vergangenheit vertreten. Gestützt wird sie nun durch das 108-seitige Gutachten des Verfassungsrechtlers Helge Sodan, das am Mittwoch vorgestellt wurde. Ein vom Senat in Auftrag gegebenes Kurzgutachten war hingegen zu dem Schluss gekommen, dass die Enteignung rechtlich möglich sei.

Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“, die hinter dem Volksbegehren steht, beruft sich im Wesentlichen auf Artikel 15 des Grundgesetzes. Dieser schreibt fest, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel […] zum Zwecke der Vergesellschaftung“ gegen eine Entschädigung in Gemeineigentum überführt werden können. Bislang kam dieser Paragraf noch nie zur Anwendung.

Sodan, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, äußert in seinem Gutachten verschiedene Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorhabens. Einige beziehen sich auf den Grundgesetz-Artikel selbst; so ist Sodan etwa der Auffassung, Immobilien seien davon gar nicht berührt. In dem Vorschlag der Initiative, nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu enteignen, sieht er außerdem einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Sein Hauptargument ist, dass in der 1995 verabschiedeten Berliner Landesverfassung die Möglichkeit zur Vergesellschaftung fehle.

Die BBU-Vorsitzende Kern sagte, sie sei angesichts des Volksbegehrens „sehr besorgt“. Schließlich berühre dieses „die Grundlagen unseres Eigentumsrechts, das sich über Jahrzehnte bestens bewährt hat.“

Die Volksbegehren-Initiative wies die Auffassung Sodans zurück: „Helge Sodan hatte auch den Mindestlohn und das Zweckentfremdungsverbot zu Rechtsverstößen erklärt. Letztlich stellten sich beide als rechtmäßig heraus“, so Sprecherin Clara Eul. So werde es auch bei der Enteignung von Wohnkonzernen sein.

Neben der Frage der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit ist auch die nach der zu zahlenden Entschädigung ein Streitpunkt. Die Initiative vertritt die Auffassung, dass diese deutlich unter dem Marktwert der Immobilien liegen dürfe, auch das vom Senat in Auftrag gegebene Gutachten stützt diese Auffassung. Sodan hingegen erklärte am Mittwoch, eine „deutliche Unterschreitung“ sei nicht rechtmäßig. Auf Nachfrage räumte er allerdings ein, dass eine Entschädigung grundsätzlich unter dem Marktwert liegen könne.