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die nachrichtProtest gegen Urheberrecht: Wiki ganz in Schwarz

Die deutschsprachige Wikipedia ist für einen Tag blockiert. Damit will die Community ein Zeichen setzen gegen die EU-Reformpläne. Kritik an niedriger Wahlbeteiligung

Das Neue

Wer am Donnerstag noch mal schnell nachsehen wollte, woher der Name Boeing eigentlich kommt (vom Firmengründer und deutschen Auswandererkind Wilhelm Böing) und wie die Maori das neuseeländische Christchurch nennen (Otauthai), hatte am Donnerstag ein Problem: Die deutschsprachige Seite von Wikipedia war nicht nutzbar. Eine Zehntelsekunde nach dem Aufrufen einer Seite wurden die Einträge durch ein schwarzes Banner unlesbar (Hashtag #blackout21). Damit protestierte Wikipedia Deutschland gegen Teile der Urheberrechtsreform, die nächste Woche vom EU-Parlament verabschiedet werden soll.

Der Kontext

Der Protest richtet sich in erster Linie gegen den neuen Artikel 13 der Richtlinie. Wikipedia und unter anderem das Netzwerk „Save the Internet“ befürchten, dass Plattformen aufgrund des Artikels Urheberrechtsverletzungen ihrer NutzerInnen präventiv unterbinden müssen – und damit der freie Informationsaustausch im Netz eingeschränkt wird. Wikipedia sagt, dass dies nur durch sogenannte Uploadfilter möglich sei, die sie für fehler- und missbrauchsanfällig hält. Uploadfilter sind am Server installierte Software-Tools, die Uploads, also hochgeladene Beiträge, ablehnen können. Wikipedia selbst wäre von Artikel 13 wohl ausgenommen, nicht aber Nebenprojekte wie das Medienarchiv Wikimedia Commons. Diesen Samstag ruft „Save the Internet“ zu europaweiten Demons­trationen auf.

Die Reaktionen

Nutzer mit Fremdsprachenkenntnissen gingen einfach auf eine Wikipedia-Seite einer anderen Sprache. Nur das deutschsprachige Wiki funktionierte nicht. Wikipedia schrieb in ihrem Blog zwar davon, dass „möglicherweise“ andere Wikipedien nachziehen würden. Das passierte jedoch nicht. Generell ist der Protest in Deutschland am stärksten, obwohl die Richtlinie alle EU-Staaten betrifft. Christian Pentzold, Juniorprofessor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bremen, erklärt sich das damit, dass es in Deutschland „eine stärkere Sensibilität für Datenschutzthemen als in anderen Ländern“ gebe. „Die Forschung zeigt, dass Deutschland eine besonders kritische und ausgeprägte öffentliche Diskussion hat. Und Wikipedianer leben nicht im Elfenbeinturm, sondern die lesen natürlich die Zeitung“, sagte Pentzold der taz.

Die Aktion war selbst in der Wikipedia-Community umstritten, weil die Wahlbeteiligung an der Abstimmung gering ausfiel. Von den 4.931 abstimmungsberechtigten Autoren – Aktive, die eine Mindestzahl an Artikeln verfasst haben – hatten sich nur 215 beteiligt. 146 stimmten für die Blockade. Kritiker sagen, die Zahl der Abstimmenden sei auffälligerweise genauso hoch wie die der Wikipedia-Administratoren.

Die Konsequenz

Direkt keine. Ab Freitag wollte wikipedia.de wieder ohne Banner erscheinen. Entschieden wird über die Richtlinie im EU-Parlament, dort ist das Stimmungsbild uneindeutig.

Elisabeth Nöfer, Gunnar Hinck

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