das portrait: Marcus Weinberg, Opfer der CDU
Tja, zum Lachen ist das wirklich nicht. Aber eineR muss den Job ja machen, der als miesester in der Hamburger Politik gelten darf: So zu tun, als ob man Bürgermeister werden will im Wissen, es nicht werden zu können. Marcus Weinberg soll am Sonntag als Spitzenkandidat der CDU Hamburg für die Bürgerschaftswahl am 23. Februar nächsten Jahres vorgestellt werden. Ihm fiel einfach keine Ausrede ein – sein Pech. Jetzt muss der Bundestagsabgeordnete elf Monate lang so auftreten, als wäre er eine ernsthafte Alternative zum rot-grünen Senat.
Seit Monaten sucht die Hanseunion, die laut Umfragen weit unter der 20-Prozent-Marke dümpelt, verzweifelt eineN veritableN KandidatIn. Zwei sagten wegen Erkrankungen ab, der Landesvorsitzende Roland Heintze will ins Europaparlament, der Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, André Trepoll, traut sich nicht. Also haben die beiden den 51-jährigen Weinberg bequatscht, sich zu opfern.
Der Hobbyfußballer, FC-St.-Pauli-Fan und Kapitän des FC Bundestag, ist ein Teamplayer. Deshalb drückt er sich nicht, obwohl seine Partei ihn vor vier Jahren, nach der 15,9-Prozent-Klatsche bei der Hamburg-Wahl, fallen ließ. Als Landesvorsitzender trat der liberale Metropolenpolitiker mit schwarz-grünen Träumen, der ohne Trauring mit Freundin und Sohn zusammenlebt, damals zurück. Heintze und Trepoll verordneten der CDU daraufhin einen Rechtsschwenk in die politische Sackgasse. Dabei war die Partei unter ihrem Bürgermeister-Darling Ole von Beust einst auf dem Weg zu einer modernen Großstadtpartei. Jetzt soll Weinberg als koalitionäres Angebot an Grüne und Gelbe – und notfalls sogar an Rote – aufpoliert werden. Durchdacht ist das alles nicht.
Die innenpolitischen Hardliner in der Partei fressen inzwischen Kreide, der Wirtschaftsflügel lernt, den Begriff Ökologie zu buchstabieren, der dieselbetriebene Verkehrsexperte will demnächst selbst mal auf ein Fahrrad steigen – Hamburgs CDU karikiert sich selbst. Und Marcus Weinberg, der liberale Geist am linken Flügel, muss sich jetzt als Parteisoldat aufopfern. Zu Lachen gibt es da für ihn wirklich nichts.
Sven-Michael Veit
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