Sammlung antisemitischer Karikaturen: Mit Hass-Bildern den Hass bekämpfen
Antisemitismus fand häufig Ausdruck in judenfeindlichen Karikaturen. Arthur Langermans Sammlung soll an der technischen Uni Berlin aufklären helfen.
Arthur Langerman ist ganz in Schwarz gekleidet, als er ans Rednerpult tritt. Er ist der Mann, dessentwegen an diesem Mittwoch in der Technischen Universität die Hochschulleitung, der Regierende Bürgermeister und Dutzende Journalist*innen zusammengekommen sind. Denn Langerman übergibt der Hochschule die größte private Sammlung antisemitischer Karikaturen der Welt.
Der 76-jährige Belgier erzählt, warum er zum Sammler von Bildern wurde, die geschaffen wurden, um den Hass auf sein Volk zu mehren. Langerman war nicht einmal zwei Jahre alt, als seine Familie nach Auschwitz deportiert wurde. Nach dem Krieg habe er lange nicht verstanden, „warum die Menschen so einen Hass auf Juden hatten“. Nach dem Eichmann-Prozess 1961 habe er sich entschlossen, das herauszufinden.
Deswegen habe er begonnen zu sammeln – „als Passion, vielleicht auch als Therapie“. Seitdem hat Langerman über 9.000 Postkarten, Plakate und Skizzen zusammengetragen. Eigentlich habe er seine Sammlung nie öffentlich machen wollen. Doch zuletzt habe er beobachtet, dass judenfeindliche Einstellungen wieder zunehmen. „Ich hätte nicht gedacht, dass es wieder so weit kommen könnte“, sagt der Schoah-Überlebende, und seine Stimme ist dabei weniger fest als zuvor. Deshalb solle seine Sammlung nun zur Aufklärung über Antisemitismus beitragen.
Die anderen Redner*innen überbieten sich mit Danksagungen, wie etwa Stefanie Schüler-Springorum, die Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU. Ihr Stellvertreter Uffa Jensen gibt zudem einen Einblick in die Sammlung: Der Belgier hat außer veröffentlichten Stücken auch Nachlässe antisemitischer Zeichner aufgekauft. Seine Sammlung umfasst auch Skizzen von Philipp Rupprecht, der für das Nazi-Blatt Der Stürmer zeichnete.
„Ungekannte und unerwartete Chance“
Zum bevorstehenden Internationalen Tag gegen Rassismus sagt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), dass die Forschung am historischen Antisemitismus zentral für die Bekämpfung des gegenwärtigen sei. Dass Langerman seine Sammlung nach Deutschland gibt, sei ein großer Vertrauensbeweis, sagt Müller und versichert: „Berlin wird Ihr Vertrauen nicht enttäuschen.“
Das Material werde helfen zu verstehen, wie Bilder dazu beitragen, Hass zu schüren, erklärt Forscher Jensen. Das Thema sei in einer digitalisierten Welt aktueller denn je. Man müsse dafür sorgen, dass die Menschen über antisemitische Klischees kritisch nachdenken. Nur so könne Judenfeindlichkeit bekämpft werden, sagt Jensen. Die Sammlung von Arthur Langerman eröffne dafür eine „ungekannte und unerwartete Chance“. Dafür erhält Langerman dann auch den längsten Applaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!