: Jung gegen Alt
Bessere Ausstattung der Jugendbeiräte, faire Beschaffung oder kostenloser ÖPNV: Jugendliche stellten unter dem Motto „Wem gehört die Stadt?“ am Mittwochabend zahlreiche Forderungen an die Bremer Politik
Von Alina Götz
Freie Fahrt für junge Menschen, Geschlechtergerechtigkeit in Lehrplänen und eine faire öffentliche Beschaffung: Das sind nur einige der Forderungen, die Jugendliche am Mittwochabend im Bremer Rathaus vorgestellt haben. Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), Gastgeber der inzwischen siebten Jugend-Diskussionsveranstaltung „Wem gehört die Stadt?“, war als Senatspräsident Adressat für die Wünsche der Jugendlichen.
Organisiert wurde der Abend von Mitgliedern verschiedener Jugendbeiräte und anderen Jugendgruppen wie dem Jugendwerk der Arbeiterwohlfahrt (AWO) oder der „Demokratie AG“ der Oberschule Findorff, die sich seit Kurzem „Rainbow Humans“ nennt. Zurzeit gibt es in Bremen zehn Jugendbeiräte. Diese sind an die Ortsämter angegliedert, werden von ihnen unterstützt und erhalten ein eigenes Budget.
Teil des Organisationsteams der Veranstaltung am Mittwoch war auch Eric Decker, Mitglied des Jugendbeirates Huchting. Er setzt sich besonders für die Organisation und Ausstattung der vorhandenen und zukünftigen Jugendbeiräte ein. „Wir wollen, dass an jedes der 22 Ortsämter ein Jugendbeirat angegliedert ist“, sagt Decker. Diese sollten von den Jugendlichen gewählt und mit einem an das Beiratsgebiet angepassten Budget ausgestattet werden. Das Geld komme bisher vom jeweiligen Stadtteilbeirat, die Summen variierten abhängig von der Bereitschaft der Beiräte, statt von den reellen Bedürfnissen vor Ort.
Die Gruppe um Decker, der auch Mitglieder der Jugendbeiräte Osterholz und Gröpelingen sowie des Jugendforums Walle angehören, wünscht sich eine unabhängige Vergabe des Geldes durch die Stadt. „Wir sind der Ansicht, dass jeder Jugendliche in Bremen, unabhängig vom Wohnort, die Möglichkeit zur politischen Mitbestimmung haben sollte“, heißt es in einem Positionspapier der Jugendlichen.
Laut Sieling sollen die Verantwortung der Geldvergabe und die Initiation der Jugendbeiräte jedoch in den Stadtteilen bleiben. „Wir können aber überlegen, wie wir die Ortsämter stärken können“, sagte der Bürgermeister am Mittwoch. „Oder die Jugendlichen gehen selbst zum Beirat und fordern eine Gründung ein“, ermutigte er Interessierte. Er glaube, so Sieling, dass sich nach der Wahl viele weitere Jugendbeiräte bildeten – so wie es sich die Jugendlichen wünschten.
Auch Dorina Diesing konnte ihr Anliegen in der Debatte vorbringen. Mit der „Brot für die Welt“-Jugend setzt sie sich für eine faire öffentliche Beschaffung ein – und forderte, dass Bremen vor allem Produkte aus Kinderarbeit vermeiden solle. „Wir wollen alle Bereiche der Beschaffung ansprechen und denken, dass die Nachfrage den Markt mitbestimmt“, sagte Diesing. Gerade im Bereich IT gebe es noch große Lücken, aber auch die Beschaffung von Grabsteinen sei hier ein Thema.
Eric Decker, Mitglied des Jugendbeirats Huchting
Während sich einige der Jugendgruppen für eher schwierig zu erreichende, aber nicht minder wichtige Ziele stark machten, berichtete Decker ganz konkret aus seinen Projekten im Stadtteil: Nach einem erfolgreichen Talentwettbewerb plant er nämlich mit seinen Kolleg*innen ein Festival am Sodenmattsee. „Für Jugendliche Freizeitaktivitäten zu schaffen, ist natürlich auch politische Arbeit“, vertrat er seine Pläne. Pläne eines zukünftigen Politikers? Decker wiegelt ab: Während ihm die Arbeit im Jugendbeirat Spaß mache, habe er in anderen Gremien wie einer Schüler*innenvertretung auch nicht ganz so gute Erfahrungen gesammelt. „Es kommt wohl immer auf die Leute an, aber generell kann ich mir den Schritt in die Politik vorstellen“, sagte er.
Danielle Cikryt (SPD) hat den Sprung aus dem Jugend- in den Erwachsenenbeirat bereits geschafft. Seit über drei Jahren sitzt sie im Ortsbeirat Huchting. Sie sagt, die Unterstützung der Jugendbeiräte habe sich in dieser Zeit gebessert. „Jetzt haben die Ortsämter die Rolle der Jugendbeiräte erkannt und stellen Ansprechpartner und ein Budget.“
Aber wie ernst nehmen die „Großen“ die vorgetragenen Vorschläge der jungen Generation tatsächlich? „Ich fühle mich ernst genommen“, sagt Decker. Auch Sieling sieht den Mehrwert des Diskussionsformats: „Ich nehme viele spannende Themen von heute Abend mit, die sonst nicht gut artikuliert werden können“, sagte er zum Abschluss der Debatte. Und für die nächste Legislaturperiode stehe auf seiner Agenda zumindest schon einmal die Befassung mit einem kostenlosen öffentlichen Nahverkehr für Kinder und Jugendliche.
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