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Deutscher Heimatfilm auf englischem Boden

In England ein Held, in Deutschland eine Randnotiz – es war nur eine Frage der Zeit, wann das Leben des Torwarts Bert Trautmann verfilmt wird. Das heute erscheinende Melodram vergibt allerdings die Chancen, die die biografische Vorlage liefert

Von Ralf Lorenzen

In den Presseräumen des Premier-League-Clubs Tottenham Hotspurs hing lange ein riesiges Poster von Jürgen Klinsmann. Genau 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der „Diver“, wie sie ihn dort nannten, in England zum Fußballer des Jahres gewählt. Dass dies möglich war, hat viel mit einer anderen Fußballergeschichte zu tun, die jetzt in die Kinos kommt: der von Bernhard Carl „Bert“ Trautmann.

Obwohl der große russische Torwart Lew Jaschin einmal sagte, es gebe neben ihm selbst nur noch einen anderen Weltklasse-Torhüter, nämlich Trautmann, ist dieser in hiesigen Heldenerzählungen bisher eine Randnotiz geblieben. Zur Weltmeisterschaft 1954 nahm Trainer Herberger grundsätzlich keine Spieler mit, die im Ausland kickten.

Wenn alle paar Jahre doch mal ein Artikel erschien, dann ging es immer um diese eine Heldentat vom Pokalendspiel 1956 im Wembley-Stadion, als er trotz gebrochenen Genicks weiterspielte und mit Manchester City den Cup gewann.

Um die biografischen Brüche im Leben von Bert, wie sie ihn bis heute nennen, kümmerten sich lange nur die Briten – mit Publikationen wie „Vom Hitlerjungen zur Pokal-Cup-Legende“ oder „Vom Nazi-Fallschirmjäger zum englischen Fußballhelden“.

Trautmann wurde tief im Bremer Westen geboren, lernte das Fußballspielen als Mittelfeldspieler beim Gröpelinger Verein Tura Bremen, wo seit 2014 ein Platz an ihn erinnert. Der sportliche Blondschopf und Hitlerjunge gewann bei Reichsjugendwettkämpfen im Berliner Olympiastadion Medaillen im Weitsprung und im Handgranatenwerfen. Mit 17 meldete er sich freiwillig zur Luftwaffe. Trautmann wurde Fallschirmjäger und war an der Ostfront einer von nur 90 Überlebenden eines 1.000 Mann starken Regiments.

Die ersten Worte des britischen Soldaten, dem er sich in den letzten Kriegstagen ergab, lauteten seiner Erinnerung nach: „He Fritz, magst Du eine Tasse Tee?“ In Rückblicken hat Trautmann erzählt, dass er erst in England wirklich erzogen worden sei, Toleranz gelernt und seinen tiefsitzenden Judenhass abgelegt habe. Statt ein Heimkomm-Angebot anzunehmen, verpflichtete er sich, als Gastarbeiter in Großbritannien zu bleiben.

Als sein Talent als Torwart entdeckt wurde, kam er über den Kleinstadtverein St. Helens Town schließlich zum großen Manchester City. Nachdem die Verpflichtung bekannt wurde, demonstrierten 20.000 Menschen dagegen. Während der ersten Spiele brüllten Zuschauer „Sieg Heil“ und hoben den rechten Arm.

Die Stimmung ändert sich erst, als der Rabbiner der Stadt, der 1938 von Berlin nach Manchester geflüchtete Alexander Altmann, an die Menschen appellierte, ihren Hass auf die Deutschen nicht an einem jungen Mann auszuleben. Ab da begann sein Aufstieg zum Publikumsliebling von Manchester City, mit dem Pokalsieg 1956 wurde er zur Legende.

Nach seiner aktiven Karriere arbeitete Trautmann dann lange als Fußball-Entwicklungshelfer in Afrika und Asien. Eine wunderbare Vorlage für einen Film, der sich wirklich für die Geschichte, den Sport und menschliche Entwicklungen interessiert.

„Trautmann“ nutzt diese Chance nicht, sondern benutzt seine Titelfigur stattdessen für ein aufwendiges Liebes-Melodram, das um ein paar schlichte Botschaften kreist. Regisseur Marcus H. Rosenmüller ist durch seine modernen Heimatfilme bekannt geworden. Für „Trautmann“, dessen Originalversion weitgehend in Englisch gedreht wurde, hat er das Genre eben nicht gewechselt.

Um wirklich zu verstehen, welch ein Mensch da hinter dem Deutschen steckt, gibt der Film wenig her

Natürlich ist es seine spätere Ehefrau, die ihn zu Beginn am meisten wegen seiner deutschen Herkunft ablehnt; und natürlich ist sie es auch, die später mit einem flammenden Appell im Vereinslokal um seine Rehabilitation kämpft und dabei Sätze sagt wie: „Ihr könnt unmöglich einen Mann für alles verantwortlich machen“, und: „Würdet ihr ihn als Menschen sehen und nicht nur als Deutschen, dann könntet ihr erkennen, wie er sich bemüht seine Vergangenheit zu bewältigen.“ Und natürlich sagt der Held auch zu seiner Frau Sätze wie diesen: „Ich hätte lieber mit dir getanzt, als auf dem Schlachtfeld zu stehen, aber ich hatte nicht die Wahl.“

Um wirklich zu verstehen, wie tief die Verwundungen der Naziverbrechen nachwirken und welch ein Mensch da tatsächlich hinter dem Deutschen steckt, gibt der Film wenig her. Er will die Versöhnung feiern, ohne sich wirklich auf das Leid einzulassen. Als ob es jemals darum ging, einen einzelnen Soldaten für die Verbrechen aller verantwortlich zu machen, als ob nicht in jedem Soldaten auch mal ein guter Junge steckte.

Doch ohne Brüche geht der Film nicht zu Ende. Im letzten Drittel kommen in Trautmann die Bilder des Krieges wieder hoch, verbunden mit einem persönlichen Schicksalsschlag erfährt er eine Retraumatisierung. In Rückblenden sieht er dabei zu, wie ein Wehrmachtssoldat an der Ostfront einen ukrainischen Jungen hinterrücks erschießt, um ihm einen Fußball abzunehmen. Eine Szene, die historisch nicht belegt ist.

Belegt ist dagegen, dass Trautmann an der Ostfront mit eigenen Augen gesehen hat, wie Juden massenhaft umgebracht wurde. Er hat dies gegen Ende seines Lebens seiner Biografin Catrine Clays erzählt. Wer sich für die Geschichte von Bert Trautmann interessiert, sollte lieber ihre Biografie „Trautmanns Weg“ lesen.

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