Das kommt auch: Gedenket des Schleims
Hier geht es nicht um einen Veranstaltungshinweis: Der Termin im Bremer Swissôtel ist laut Veranstalter ausgebucht, da kommt keiner mehr rein am Dienstag. Aber es handelt sich ja darum, eine lokale Tradition zu begründen, die von der taz bejubelt werden muss. Seit 2014 will der örtliche Ableger der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit einer jährlichen Festrede an Bremens bedeutendsten CDU-Mann Karl Carstens (1914–1992) erinnern, mit C wie Chamäleon, was gut ist, denn mir hat er mal einen Füller geschenkt, der, mit schwarzer Tinte betankt, leider zerbrochen und ausgelaufen ist, aber dafür konnte er nichts.
Seit 2016 findet die KAS regelmäßig einen in die Jahre gekommenen Herrn mit CDU-Parteibuch, der diese Veranstaltung rund um Carstens’Wiegenfest am 11. Dezember mit einem Wortbeitrag bespielt. Jetzt ist am kommenden Dienstag nicht der 11. Dezember, aber das liegt daran, dass die KAS diesmal die Gallionsfigur der abgehalfterten Hoffnungsträger in der CDU als Redner gewinnen konnte. Bloß musste Friedrich Merz dann doch absagen, weil er um den Parteivorsitz mit Annegret Kramp-Karrenbauer rang, die ihn am Ende besiegt hat.
Das Datum – 19. März – spricht dafür, dass er zum Warm-up einen Namenswitz versucht. Von dort aus wird er über das transatlantische Verhältnis sprechen. Ob das wohl ausreicht, um die Erinnerung an den Opportunisten Carstens wachzurufen, der laut Die Zeit von der Rolle des großkoalitionären Spitzendiplomaten „blitzschnell in die des deutsch-nationalen Scharfmachers“ schlüpfte?
Wohl kaum, und das ist schade, denn Carstens war als Persönlichkeit nicht nur wegen seiner Augenbrauen so faszinierend und so unfassbar wie ein nicht-newtonsches Fluid – Schleim etwa. Heroischer Schleim, der 1936 in seine juristische Dissertation die Erkenntnisse jüdischer Forscher rettete – ohne ihre Namen zu verraten. Und lustiger Schleim: „Ich fordere die ganze Bevölkerung auf, sich von der Terrortätigkeit zu distanzieren“, hatte er beispielsweise 1974 verkündet, „insbesondere den Dichter Heinrich Böll, der noch vor wenigen Monaten unter dem Pseudonym Katharina Blüm ein Buch geschrieben hat, das eine Rechtfertigung von Gewalt darstellt.“ Doch, so ein Statement wäre auch Heinrich Lübke zuzutrauen gewesen, und folgerichtig wurde Carstens dann ja auch am Ende Bundespräsident: Das hatte vor ihm noch kein SA-Mann geschafft. Daran sollte man sich wirklich ewig erinnern. Benno Schirrmeister
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