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Man hat sie oder nicht, die Melodie

Folklore trifft Impro: Hosna Parsa und Theo Nabicht im Ausland

Von Thomas Mauch

Das sind so die Konzerte zur Übung der kulturellen Feinmotorik, wenn auf der Bühne Menschen mit ganz unterschiedlichen Traditionen im Rücken zusammenkommen und prüfen, wie diese Traditionen zueinander passen. Und ob sie das überhaupt tun. Im Ausland, dem Kellerclub in Prenzlauer Berg, machten das am Donnerstagabend die Kamantsche-Spielerin Hosna Parsa aus Teheran und der Berliner Theo Nabicht mit der Kontrabassklarinette.

Zuerst aber gab es einen musikhistorischen Einblick in die Kulturgeschichte der Kamantsche. Man durfte erfahren, dass dieses für die iranische Musik recht bedeutende Streichinstrument zwischendurch fast von der (westlichen) Geige verdrängt worden ist. Und dass die Musik aber doch für sich selbst sprechen solle, wie es zum Schluss des Vortrags von Utku Öğüt von der HU hieß – und die plauderte dann bereits einiges aus, die Musik, bevor überhaupt der erste Ton zu hören war (Musik ist halt mehr als nur der Klang): Hosna Parsa kam so im folkloristisch bunten Gewand auf die Bühne, und das tat eigentlich auch Theo Nabicht, schlichte Hose, schlichtes Hemd, aber eben genau in den Dunkelfarben, mit denen man im Feld der Neuen Musik und der Improvisationsmusik zur Arbeit geht.

Zur Kontaktaufnahme übten sich die beiden in langen, getragenen und in die Weite schauenden Tönen, die sich umspielten, verhakten, bis Hosna Parsa daraus die melancholischen Melodien der iranischen Folklore herausarbeitete, denen Nabicht behutsam begleitend ein Echo gab.

Die Versuchsanordnung im Ausland war so auch, mit den unterschiedlichen Herangehensweisen an die Musik, ein Dialog über Beschränkungen. Auf der einen Seite war da die melodische Selbstverständlichkeit zu hören, auf der anderen davon eher nichts. Weil halt die Neue Musik und die Improvisationsszene – die beiden Spielfelder Nabichts – im Gegensatz zu Folkloren gar keinen Melodienschatz kennen, auf den man einfach zurückgreifen könnte. So einer hübschen Melodie wird da eher misstraut. Dafür hat man eine Fülle an Methoden, Strukturen und Spieltechniken entwickelt, mit denen man andererseits eigentlich mit jeder musikalischen Form in eine Zwiesprache treten kann, ohne dabei gleich komplett zu scheitern.

Richtig spannend aber wurde es an dem von der an Begegnungen mit iranischer Musik interessierten Initiative Klangteppich eingerichteten Abend, als Theo Nabicht sich doch auch zu einem melodischeren Spiel durchrang und damit Hosna Parsa endlich die Chance gab, das dann aufzugreifen und weiter auszuschmücken in ihrem Spiel. Was schon eine weitere Entwicklungsstufe bedeutete bei diesem ersten Gespräch von zwei mit verschiedenen musikalischen Hintergründen versehenen Menschen. Nach der Grundlagenforschung könnte dann bei weiteren Runden auch noch musikalisch hitziger debattiert werden.

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