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„Sie behandeln mich wie einen Kriminellen“

Momodou B. sitzt seit dem 1. März in Haft: Er soll aufgrund des Dublin-Abkommens in die Obdachlosigkeit nach Italien abgeschoben werden. Das hat anhaltenden Protest ausgelöst. In einem Bericht fasst die Black Student Union (BSU) Bremen ihre Gründe dafür zusammen und gibt die Schilderungen der Haftbedingungen des jungen Senegalesen wieder. Die taz dokumentiert das Schreiben in Auszügen

Wichtig ist es der Black Student Union (BSU) „Momodous Geschichte in einen Kontext zu stellen. Er verließ sein Land nicht, weil ihm schlichtweg danach war: „Wir laufen von zu Hause weg, weil wir so viele Schwierigkeiten haben, wir denken, dass es hier besser sein wird“, habe er berichtet. Diese Schwierigkeiten entstehen laut der BSU, weil „Deutschland und jeder andere westliche Staat seit Jahrhunderten afrikanische Menschen und Länder versklavt und kolonialisiert. Wir alle wissen, woher unsere Ressourcen kommen, wer für diese arbeitet und wer von der Arbeit afrikanischer Völker profitiert. Wir alle wissen, wer die korrupten Führer unserer Länder sind und wer sie bezahlt. [....] Es ist keine Frage des Nichtwissens, sondern eine der Ignoranz. Warum […] können weiße Menschen, Behörden, Institutionen, Gesetzgeber […] eine Praxis der Kolonialisierung und Zerstörung unserer Heimatländer fortsetzen und dann ehrlich und ernsthaft so tun, als wüssten sie nicht, warum wir hierherkommen?“

Flucht sei der Versuch, „diesen toxischen Orten zu entkommen, nur um sich dann in den Ländern derjenigen zu befinden, die ihr Elend überhaupt erst verursacht haben und sie ohne jegliche Gefahr vor Konsequenzen entrechten, ihre Freiheit nehmen und sie für ihre schiere Existenz auf dieser Erde bestrafen.“ Das sei „die Situation, in der sich Momodou und viele andere wie er befinden: existieren in einer Welt, die sich von Anti-Schwarzem Rassismus nährt und gegen Schwarzes (Über-)Leben arbeitet.“

Momodous Geschichte erlaube nun, „darüber zu sprechen, wie Anti-Schwarzer Rassismus in diesem Land aussieht. Momodou wurde von der Polizei in Hamburg verhaftet und anschließend nach Bremen verlegt:

Ich war auf dem Weg zum Supermarkt und sie sahen mich auf dem Weg und sie kontrollierten mich. Und sie hielten mich fest und behandelten mich wie einen Kriminellen, wie jemanden, der Scheiße gebaut oder Menschen getötet hat.

Nach seiner Verhaftung sei er acht Stunden ohne Essen in einer Zelle festgehalten worden, heißt es im Bericht weiter, auch jetzt bekomme er nur zweimal täglich Essen – Gefängnis-Standard sind drei Mahlzeiten. Das passt zu den übrigen Mängeln in der Bremer Abschiebehaft:

„[D]ie Bedingungen hier sind so, als wärst du im Gefängnis. Für nichts. Und wir machen keine Probleme, aber sie behandeln uns wie Gefangene. Sie sperren dich um 24 Uhr ein und du kommst erst um 10 Uhr morgens raus. […] [D]as ist zu viel Zeit. […] Jede Woche, alle acht bis neun Tage geben sie dir 20 Euro. Dafür kannst du Zigaretten kaufen oder so Zeugs halt. Manchmal schaffen wir es, den Polizeileuten das Geld zu geben, die uns dafür etwas kaufen. Aber wenn du ihnen das Geld heute gibst, kommen die Sachen erst zwei oder drei Tage später an.“

Momodou sei folglich „seit über einer Woche nicht mehr draußen“ gewesen, fasst der BSU-Bericht zusammen. „Bis zum Zeitpunkt seiner Abschiebung sind es mehrere Wochen.“ Zugleich sei die medizinische Versorgung problematisch: Er habe „gesundheitliche Probleme mit seinen Zähnen und manchmal schmerzt es, die Nahrung zu essen, die ihm gegeben wird“. Wenn er auf seine Zahnschmerzen aufmerksam macht, so die Schilderung von Momodou B., würden die Wärter*innen das als Störung empfinden. Um behandelt zu werden, bedürfe es großer Hartnäckigkeit:

„Also störe ich sie jedes Mal, rufe sie jedes Mal, bis sie müde von mir geworden sind und sie mich zum Arzt gebracht haben. Aber selbst, als sie mich zum Arzt brachten, ketteten sie mich einfach an […] im Auto und dann den ganzen Weg. Der Doktor hat geguckt und gesagt, dass der Zahn entfernt werden muss. Aber ich muss sie fragen, ob sie ihn ersetzen, wenn er gezogen wird, weil es eine wichtige Stelle im Kauapprat ist.“

Seine Fragen zur weiteren Behandlung seien bislang indes unbeantwortet geblieben:

„Ich weiß nicht, ob sie ihn mit einem anderen ersetzen werden oder nicht.“

Der BSU-Bericht weist darauf hin, dass Momodou im Falle einer Abschiebung kaum Zugang und Mittel zu Folgebehandlungen haben dürfte. Momodou B.s Sorgen sind groß:

Wenn ich nach Italien zurückgeschickt werde, werde ich auf der Straße leben und auf der Straße schlafen müssen. Vor allem, wenn ich kein Geld habe – das ist ein sehr trauriges Leben.“ Vorgezeichnet sei damit ein Abstieg in die Kriminalität: „Du wirst zu einer schlechten Person, du wirst im Gefängnis landen und so will ich nicht enden.“

Tatsächlich hat eine gemeinsam vom dänischen und vom Schweizer Flüchtlingsrat erstellte Untersuchung gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung gravierende Mängel des italienischen Asylsystems aufgezeigt. Die Untersuchung wird allerdings von der jüngsten Rechtsprechung missachtet.

Im Bremer Abschiebehaft wurde dem BSU-Bericht zufolge Momodous Forderung nach Behandlung der Schmerzen sogar dazu genutzt, sein Recht, besucht zu werden, zu beschneiden: „Sowohl ihm als auch der Person, die ihn besuchen wollte, wurde gesagt, er hätte einen Arzttermin. Es stellte sich heraus, dass dies nicht der Fall war. Bereits zwei Tage später schien es kein Problem mehr zu sein, ihn zu besuchen.“

Das Resümee Momodous ist bitter:

„Es ist nicht richtig. Jemand, der kein Verbrechen begeht und sie sperren ihn einfach ein.“ Er könne nur darum beten, frei zu sein.

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