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Kräftemessen trotz Stromausfall

Venezuelas selbst ernannter Interimspräsident Juan Guaidó erhofft sich Vorteile vom Stromausfallund ruft zum Marsch auf Caracas auf. Präsident Nicolás Maduro spricht von einem Cyberangriff der USA

Von Jürgen Vogt ,Buenos Aires

Trotz eines mehrtägigen landesweiten Stromausfalls hat auf den Straßen von Venezuelas Hauptstadt Caracas am Samstag ein Kräftemessen zwischen Opposition und Regierung stattgefunden. Dabei rief der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó zum großen Marsch auf die Hauptstadt auf. „Wir müssen zur Übernahme der Hauptstadt und zur Eroberung der Macht kommen“, forderte er. Von Donnerstag bis Samstag hatte der größte Blackout der letzten 20 Jahre das gesamte Land lahmgelegt. Noch immer sind einige Bundesstaaten und Teile des Hauptstadtbezirks ohne Strom.

„Venezuela hat keinen Zweifel, mit dem Ende der Usurpation kommt der Strom wieder“, twitterte Guaidó und setzte ganz auf die Frustration über den Stromausfall. „Wir sehen uns am Samstag auf der Straße!“, so der 35-Jährige. Doch weil der Blackout auch den Verkehr und die Telekommunikation lahmlegte, blieb der ganz große Aufmarsch aus.

Polizeieinheiten setzten dennoch Tränengas ein, um den aus verschiedenen Richtungen Marschierenden vorübergehend den Weg zur Avenida de la Victoria zu versperren. Dort hatten die Uniformierten schon in der Nacht auf Samstag den Aufbau einer Bühne verhindert.

Auf einem Fahrzeug stehend und per Megafon musste Guaidó dann seine Rede halten und gab sich umso kämpferischer. „Ich werde durch ganz Venezuela reisen, um alle nach Caracas zu holen“, kündigte er an.

Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt hatte Staatschef Nicolás Maduro seine Anhängerschaft zu einem „antiimperialistischen Marsch“ versammelt. Offizieller Anlass war die Einstufung Venezuela als Bedrohung für die nationale Sicherheit durch den damaligen US-Präsidenten Barack Obama, die sich just am Wochenende zum vierten Mal jährte.

So war die Stoßrichtung gen Norden vorgegeben. Maduro beschuldigte die USA, den Blackout durch mehrere Cyberattacken ausgelöst zu haben. „Es wurde Hochtechnologie eingesetzt, über die nur die USA verfügen“, so Maduro. Als man am Samstag rund 70 Prozent der Versorgung wiederhergestellt hatte, habe es eine zweite Angriffswelle gegeben, die alles wieder lahmlegte. Das alles sei im Zusammenspiel mit bei den Kraftwerken infiltrierten Gegnern der Revolution geschehen.

„Wir haben in den vergangenen Jahren bereits große Herausforderungen gemeistert, mit revolutionärem Mut werden wir auch diese schaffen“, sagte der Staatschef. Beweise für einen solchen Angriff legte er nicht vor. Die Ursache für den Blackout dürfte beim Wasserkraftwerk Guri im südöstlichen Bundesstaat Bolívar zu finden sein. Guri ist das wichtigste Wasserkraftwerk Venezuelas und zugleich eines der größten Lateinamerikas. Mit seiner Kapazität von 10.000 Megawatt liefert es nicht nur den Großteil der gesamten Stromerzeugung des Landes, sondern versorgt auch Teile des benachbarten Brasiliens. Von den 20 Turbinen sollen seit Donnerstag nur noch elf in Betrieb sein.

Fällt Guri auch nur teilweise aus, sollen andernorts Heizkraftwerke einspringen, ihre Stromerzeugung erhöhen und so die Versorgung sicherstellen. Das ist offensichtlich nicht passiert. Offizielle Zahlen über die Kapazität der Kraftwerke und deren tatsächlich Produktion gibt es schon lange keine mehr.

Die Berichte über die Folgen des Stromausfalls zeichnen ein Katastrophenszenario: Krankenhäuser, denen die Notversorgung ausgeht. Medizinisches Personal, das Neugeborene und PatientInnen im Licht ihrer Handys versorgt. Mindestens 15 Dialysepatienten sind gestorben, weil sie nicht behandelt werden konnten, meldete die NGO CodeVida.

Viele Schulen und öffentliche Einrichtungen sind geschlossen. In den Privathaushalten gibt es kein Wasser, weil die Pumpen ohne Strom nicht arbeiten. Auch die Zapfsäulen an den Tankstellen pumpen nicht mehr. Damit kommt auch der mit fossilen Brennstoffen laufende Verkehr zum Erliegen.

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