Kommentar Schüler-PCs: Es geht um digitale Chancengleichheit
Ein eigener Computer sollte zum Existenzminimum für SchülerInnen aus Hartz IV-Familien gehören. Sie verlieren sonst den digitalen Anschluss.
Die Parteien am Sozialgericht waren sich einig: Das Recht auf Bildung sei gewährt, wenn Schüler ihre Aufgaben an den PCs der Schule und von Stadtbibliotheken erledigen können. Das Jobcenter muss keinem Schüler einen Laptop bezahlen. Doch reicht es im Jahr 2019 aus, dass SchülerInnen den digitalen Umgang nur durch Nutzung öffentlicher PCs erlernen? Bei der Frage geht es nicht nur um die aufwendigere Bewältigung von Schulaufgaben, sondern auch darum, möglicherweise die berufliche Zukunft des Schülers zu beeinträchtigen.
Für ProgrammiererInnen boomt der Jobmarkt. Das liegt nicht allein an der Entwicklung von Websites, Apps und anderen Programmen. Die Verlagerung der materiellen Inhalte aus Aktenschränken und Verzeichnissen in die digitale Sphäre der riesigen Datenbanken und intelligenten Suchalgorithmen wächst und damit der Bedarf an Köpfen, die den Code dafür schreiben können. Je symbiotischer unser Alltag mit der digitalen Sphäre verwächst, desto mehr Menschen werden daran mitwirken.
In vielen Stellenanzeigen wird jetzt schon gewünscht, die BewerberInnen mögen HTML-Kenntnisse und Programmiererfahrungen mitbringen, selbst wenn der eigentliche Job gar nicht viel damit zu tun hat. Für die nächste Generation werden Programmierkenntnisse so selbstverständlich sein, wie es heute die simple Bedienung von Textverarbeitungsprogrammen ist.
Für Wohlhabende kein Problem
Die meisten SchülerInnen aus gut situierten Familien sind auf die digitale Zukunft vorbereitet. Viele besitzen ein ganzes Arsenal von Geräten wie Smartphones, Laptops oder Tablets. Meistens dienen die Gadgets der Zerstreuung, doch übt sich die Jugend im Alltag spielerisch in der Bedienung der Geräte und Programme, die im späteren Berufsleben selbstverständlich sein werden.
Wie normal das Programmieren schon für SchülerInnen ist, zeigte jüngst eine Gruppe von Abiturienten des – privaten – Canisius-Kollegs. Sie haben eine App für Mobbingopfer programmiert. Die dafür nötigen Kenntnisse sind sicher kein Produkt jener Berliner Schulen, an denen 5,5 SchülerInnen auf einen PC kommen. Interesse und Leidenschaft für das Digitale entwickeln sich in der Freizeit, wenn die Neugier darauf gestillt werden kann. Der Sechstklässler ohne eigenen PC kann das nicht. Ihn könnte die Abschirmung vom Internet und den digitalen Gerätschaften in der Freizeit nachhaltig beeinträchtigen.
Die Versorgung der SchülerInnen aus strukturell schwächeren Familien mit eigenen Laptops und PCs wäre eine sinnvolle Verwendung der Gelder aus dem Digitalpakt. Immerhin lebt rund ein Drittel der Berliner Minderjährigen von Hartz-IV-Bezügen.
Vor 10 Jahren war es vielleicht noch zeitgemäß, dass SchülerInnen ihre Aufgaben an den PCs der Schulen und Bibliotheken erledigten. Im Jahr 2019 sollte die private Nutzung von Computern im Minimum der Bildungschancen inbegriffen sein.
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