Senat beschliesst Nahverkehrsplan: Durchstarten bei Bus und Bahn

Nicht ganz so viel wie diese Woche behauptet, aber immer noch viel mehr Geld als bislang will Rot-Rot-Grün bis 2035 in den ÖPNV stecken. Ein Wochenkommentar.

Die BVG soll so gut werden, dass BerlinerInnen kein Auto mehr brauchen, sagt die Verkehrssenatorin. Schön wär's ja! Foto: dpa

Seit der Senat am Dienstag den Nahverkehrsplan 2019–2035 beschlossen hat, macht ein ziemlich grobes Missverständnis die Runde: Verschiedene Medien, aber auch Koalitionspolitiker verbreiteten, das Land stecke bis 2035 die gewaltige Summe von 28,1 Milliarden Euro in den Ausbau des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV), ein „Investitionspaket“ für mehr Streckenkilometer, mehr Fahrzeuge und mehr Beförderungskomfort.

28 Milliarden, das entspräche etwa einem kompletten Landeshaushalt. So viel Geld kann Finanzsenator Matthias Kollatz nicht im Entferntesten locker machen, auch nicht über den Verlauf von 15 Jahren und schon gar nicht nur für Investitionen. Tatsächlich umfasst die Summe die Gesamtheit aller Ausgaben im ÖPNV, also auch für den ganz normalen Betrieb mit allen Personalkosten. Und das Geld kommt auch nur zu einem Teil vom Land Berlin, inbegriffen sind ebenso die von den Fahrgästen erhobenen Preise sowie Fördermittel von Bund und EU.

Obwohl die Rechnung so nicht stimmt, bleibt der Tenor richtig: Berlin nimmt viel zusätzliches Geld in die Hand, um den Bedürfnissen der wachsenden Stadt gerecht zu werden und den ÖPNV dabei so attraktiv zu machen, dass – wie Senatorin Regine Günther es ausdrückte – immer mehr Leute sagen könnten: „Ich brauche kein eigenes Auto.“ Statt wie derzeit 1,1 Milliarden Euro im Jahr sollen bis 2035 im Schnitt 1,76 Mil­liarden ausgegeben werden. Wenn das mal kein Durchstarten ist.

Es war aber auch dringend nötig: Bei der BVG quietscht es an allen Enden, auch ohne Streik lassen Bahnen und Busse oft auf sich warten. Neue Tramverbindungen müssen dringend geplant und gebaut werden, ob auch das U-Bahn-Netz punktuell wächst, wie es die Opposition lautstark fordert (weil sie ja irgendwas fordern muss), wird noch geprüft. Und wenn der Nahverkehrsplan hält, was er verspricht, sind bis Anfang der überübernächsten Legislaturperiode nicht nur alle Bahnhöfe, sondern auch alle Bushaltestellen barrierefrei, also von mobilitätsbeeinträchtigten Menschen ohne fremde Hilfe zu nutzen.

Ab 2030 sollen alle Busse elektrisch fahren

Richtig nach vorne geht der Senat in Sachen Dekarbonisierung: Um dem Ziel eines klimaneutralen Berlin im Jahr 2050 näher zu kommen, sollen ab 2030 alle Busse elektrisch fahren. Über den gesamten Zeitraum des Nahverkehrsplans sind hier Investitionen von rund 1,4 Milliarden Euro eingeplant. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit bleiben natürlich die Herkunft der Elektrizität und die Ladetechnik entscheidend. Tonnenschwere und kurzlebige Batterien, die mit Kohlestrom gefüllt werden, bringen niemandem etwas.

Umso besser, dass das Thema „Streckenladung“ gesetzt ist: Der Senat will die runderneuerte Oberleitungstechnik für Busse prüfen, die große Bordbatterien überflüssig macht und mittlerweile nur noch auf einem Teil der Strecke installiert werden muss. Die ästhetischen Bedenken, die viele noch haben, dürften deshalb stark übertrieben sein.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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