Neues Album von Die Heiterkeit: Die Person bleibt unnahbar

Die Heiterkeit war mal eine Frauenband. Geblieben sind nur noch die sonore Stimme von Stella Sommer und ihr Sinn fürs Dramatische.

Die Musikproduzentin Stella Sommer

„Einsamkeit oder Glück – das macht nicht so einen Unterschied“, sagt Stella Sommer Foto: Zoe Sanli

Stella Sommer gilt als düstere, nicoeske Performerin. Ihre Songs haben einen ausgefeilten Sinn fürs Dramatische. „Es ist schwierig, ein Lied übers Glücklichsein zu schreiben, das irgendwas mit einem selber macht.“ Sommer lacht, während sie das sagt. Auf ihrem neuen Album „Was passiert ist“ treffen exaltierte, orchestrale Arrangements auf ihre sonore Stimme. „Man nennt es einsaaaaaahaham“ ist so eine Zeile, in der langgezogene Vokale einen durch den Song tragen. Dazu knarzen im Hintergrund Synthesizer und ein Upbeat bildet einen Gegenpol zum dunklen Songtext.

„Was passiert ist“ heißt das neue Album der ursprünglich Hamburger Band. Mittlerweile operiert aber nur noch Stella Sommer als Die Heiterkeit – und das aus Berlin: Sie schreibt die Texte, komponiert die Musik und stellt eine Live-Besetzung zusammen. „Ich dachte auch bei diesem Album erst, ich fang einfach mal an und geb es dann an die Band weiter. Aber irgendwie habe ich gemerkt, dass dieses Vorgehen gar keinen Sinn mehr macht. Für mich ist es das fünfte Album gewesen, die anderen waren teilweise noch nie im Studio.“

Dazu kamen die unterschiedlichen Lebensmittelpunkte der Bandmitglieder, die nicht konstant waren. „Wenn man jedes halbe Jahr die Band-Konstellation wechselt, dann kommt man ja auch nie dazu, eingespielt zu sein.“ Also nahm Sommer das neue Album alleine mit ihrem Produzenten auf, mit dem auch schon der Vorgänger entstanden war, ein 20-Song-Epos namens „Pop & Tod I + II“.

Dieses Doppelalbum war geprägt von Chören und Mehrstimmigkeit, ein Element, das nun zurückgetreten ist. „Ich hatte mir das ein bisschen übergehört“, sagt die Künstlerin. „Ich fand es gut, dieses Mal andere Sachen dafür sorgen zu lassen, dass Harmonien reinkommen. Und dann ist es auch so, dass man durch die Drei- oder Vierstimmigkeit sehr darauf limitiert ist, dass man genug Frauen mitnimmt, wenn man live spielt – und es ist nach wie vor einfach schwierig, solche zu finden.“

Emanzipatorisches Potenzial nicht zugestanden

Woran liegt es, dass Frauen seltener Profimusikerinnen werden? „Es reicht bei Frauen oft nicht aus, dass sie ein Instrument gut beherrschen und sich darauf konzentrieren“, meint Sommer. „Sie müssen dann immer gleich auch noch anderes können.“ Als Die Heiterkeit sich vor zehn Jahren gründete, hatte nur Sommer eine musikalische Ausbildung.

Die Heiterkeit: „Was passiert ist“ (Buback). Demnächst auf Tour in Deutschland, Österreich und der Schweiz .

Um die Band gab es viele Gerüchte, bevor überhaupt das erste Konzert gespielt war. Ein Smiley mit einem geraden Strich als Mund wurde ihr Bandlogo, bildete mit dem Namen einen Widerspruch, der sich auch in der inszeniert mies gelaunten Ausstrahlung der Band manifestierte. Dazu kam das dunkle Timbre von Sängerin Sommer und ihre beiläufige, nonchalante Intonation.

Geredet wurde aber vor allem darüber, dass Frauen hier Instrumente bedienten, die sie nicht perfekt spielen. Bewegungen von Punk bis Geniale Dilletanten haben sich diese Machart in die DNA geschrieben, der Heiterkeit aber wurde das emanzipatorische Potenzial dieser DIY-Bewegungen nicht zugestanden. „Das ist der Unterschied, dass Männern ja auch zugetraut wird, das Musikmachen wirklich zu können. Sie machen das dann aus freien Stücken, den Dilettantismus, weil sie das cool finden. Bei Frauen-Bands wird davon ausgegangen, dass sie es nicht besser können“, sagt Sommer heute.

„Ich war der größte Pop-Fan“

Dass die Band nur aus Frauen bestand, war allerdings kein Konzept, sondern ganz selbstverständlich: „Wir waren eben Freundinnen“, sagt Sommer. „Ich war zwar schon mal in einer Band, aber das ist was anderes, wenn man noch mal neu zusammen anfängt.“ So punk dieser Ansatz ist, einfach herauszukommen, so gemischt waren die Reaktionen auf die ersten Songs und das erste Album der Heiterkeit Anfang des Jahrzehnts. „Der Unterschied war, glaube ich, nur, dass es halt nicht so viele andere Frauen gab, die das gemacht haben. Es war sofort ein ziemlicher Druck drauf.“

Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.

Ohne die klassische Bandbesetzung aus Bass, Gitarre und Schlagzeug schreibt Stella Sommer nun immer größere Pop-Balladen. Die Musikerin, die ursprünglich aus St. Peter-Ording kommt, hat sich die Harmonien bei Teenage-Popbands der Sixties abgeschaut. „Ich war der größte Pop-Fan, den man sich vorstellen kann und hab wirklich alles aufgesogen, was ich zu dem Thema finden konnte. Vor allem 60er-Jahre-Musik hat mich fasziniert“, sagt Sommer.

Seit sie ein Teenager ist, schreibt sie Songs, erst auf Englisch. Dass man auch auf Deutsch singen kann, darauf kam sie erst in Hamburg. Das anglofone Songwriting war zuletzt auch auf ihrem Solo-Album zu hören. Mit „13 Kinds of Happiness“ erforschte Stella Sommer, wie Einsamkeit und Glück einander bedingen, ließ beide Gefühle düster und melancholisch klingen.

Sehnsucht in Zeiten von Instagram

„Einsamkeit oder Glück – das macht nicht so einen Unterschied“, sagt Sommer und lacht. „Einsamkeit, Orientierungslosigkeit, Desillusionierung“, diese Themen stehen nun auch im Fokus ihrer Platte als Die Heiterkeit. Dabei bleibt die Person, die da singt, so unnahbar wie ihr Gegenüber.

Poetische Zeilen wie „Die Zeit ist wie ein Gummiband, das man zwischen Menschen spannt“ wechseln sich ab mit vagen Worten, die einen in die Irre führen und manchmal auch überzeichnen. In „Ich sehe dich am liebsten“ geht es um Sehnsucht in Zeiten von Instagram. Dazu erklingen Crescendi aus Becken und Pauken, Bläser setzen zur dramatischen Untermalung an.

„Was passiert ist“, das fünfte Album der Heiterkeit, versammelt große Gesten, aber genau das, was der Titel verspricht, die Antwort auf die Frage, was passiert ist, die bleibt offen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.