Prozess gegen IS-Chef in Deutschland: Zeuge weiß nichts mehr

Das Gericht nimmt einen Ex-Rockerchef in Beugehaft. Er beruft sich auf Erinnerungslücken und fürchtet Repressalien der Islamisten.

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Der Hauptangeklagte, der Iraker Ahmad A., 33, genannt Abu Walaa, getarnt zu Prozessbeginn 2017 Foto: dpa

CELLE dpa | Im Prozess gegen den mutmaßlichen Deutschlandchef der Terrormiliz Islamischer Staat, Abu Walaa, hat das Oberlandesgericht Celle einen als Zeugen geladenen Ex-Rockerchef aus Duisburg in Beugehaft genommen. Der 43-jährige Ex-Chef der inzwischen verbotenen Rockergruppe Satudarah wurde am Dienstag in Handschellen aus dem Verhandlungssaal geführt und in eine Zelle des Gerichts gebracht. Zuvor hatte er sich bei praktisch allen Fragen des Gerichts auf Erinnerungslücken berufen und zu verstehen gegeben, dass er Repressalien der Islamisten befürchtet. Er bat um ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Vorsitzenden Richter.

Der Ex-Rockerchef saß mit einem mitangeklagten Islamisten aus Abu Walaas Netzwerk im Gefängnis in Düsseldorf. Er soll Schreiben dieses Islamisten aus dem Hochsicherheitsgefängnis Düsseldorf herausgeschmuggelt und statt an Mittelsmänner an das Landeskriminalamt weitergegeben haben. In den Schreiben soll der mitangeklagte türkische Reisebüroinhaber aus Duisburg dazu aufgerufen haben, Zeugen einzuschüchtern.

Das Oberlandesgericht Celle erhofft sich von der Aussage des Rockers weitere Einblicke in das Tun des Islamisten, über das er mit dem Rocker mutmaßlich hinter Gittern gesprochen hat.

Die Drohungen des Mitangeklagten aus der Haft heraus, die teils wohl dennoch ihre Adressaten erreichten, blieben offenbar nicht ohne Wirkung. Wie eine Beamtin des LKA Nordrhein-Westfalen bereits im Sommer aussagte, wurde unter anderem auf das Haus der Schwester eines Zeugen in Duisburg geschossen. In den Schreiben, die nach einer Handschriftenanalyse des LKA mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem Reisebüroinhaber stammen, wurde zu „Operationen“ gegen Zeugen aufgerufen.

Die Angeklagten schweigen bislang

Abu Walaa, der Reisebüroinhaber und drei weitere Mitangeklagte müssen sich wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in der Terrormiliz verantworten. Sie sollen junge Menschen insbesondere im Ruhrgebiet und im Raum Hildesheim islamistisch radikalisiert und in die IS-Kampfgebiete geschickt haben. Die Angeklagten haben bislang zu den Vorwürfen geschwiegen. Der Prozess läuft inzwischen seit knapp eineinhalb Jahren, ein Ende ist bislang nicht in Sicht. Weitere Verhandlungstage sind bis August terminiert.

Der Ex-Chef der inzwischen verbotenen Rockerclubs Satudarah wurde 2014 im Gegenzug zu einem Geständnis umfangreicher Drogen- und Waffengeschäfte und dem Benennen von Komplizen vom Landgericht Duisburg zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Haftentlassung auf Bewährung vor knapp einem Jahr wurde er beim LKA Düsseldorf mit den Schreiben des Mitangeklagten vorstellig. Zuvor, als er noch in Haft saß, hatte auch sein Anwalt entsprechende Papiere übergeben. Möglicherweise versprach er sich davon Hafterleichterungen.

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