Berlinale – François Ozons „Grâce à Dieu“: Der Priester von Lyon

„Grâce à Dieu“ erzählt von einem Missbrauchsskandal an einer katholischen Kirche. Der Film zeigt auch ein Potpourri an Facetten von Männlichkeit.

Ein Priester mit Zigarre kommt auf einen sitzenden Mann zu

Still aus „Grâce à Dieu“ von François Ozon Foto: Jean-Claude Moireau/Berlinale 2019

François Ozons Film „Grâce à Dieu“ nimmt sich einen jüngeren Skandal der katholischen Kirche in Frankreich vor. Ein Priester namens Bernard Preynat hat in Lyon dutzende Kinder für sexuelle Handlungen missbraucht. Viele wussten davon. Eltern, Angehörige. Und auch hohe Amtsträger der Kirche, darunter ein Kardinal. In knapp einem Monat wird in Frankreich tatsächlich ein Urteil verkündet werden.

Ozons Film ist dieser Tage also ganz auf der Höhe der Zeit. Es wird spannend sein, zu erfahren, wie „Grâce à Dieu“ rezipiert wird, wenn er bald offiziellen Kinostart hat. Den drei Hauptcharakteren jedenfalls sieht man über zwei Stunden dabei zu, wie sie aus ihrem Schweigen treten und sich auf allen Ebenen gegen Preynat und die katholische Kirche organisieren.

In einem wahnsinnigen Tempo sind hier Szenen aneinandergereiht, treten neue Charaktere auf und fügen sich ein in ein Netz von beträchtlichem Ausmaß. Verschmutzte Wunden reißen auf, die die Kirche mit luftdichten Pflastern am liebsten für immer versiegelt hätte.

„Ich wollte dem Publikum einen winzigen Eindruck von der emotionalen und physischen Gewalt vermitteln, die dann entstehen kann, wenn Opfer ihre Geschichte teilen“, sagt Ozon über seinen Film. In „Grâce à Dieu“ münden sie in Rekationen von Leugnung über Relativierung bis hin Ignoranz und sogar Eifersucht. Wer steht an wessen Seite? Kann es ertragen werden, wenn aus Schmerz auch positive Energie erwächst?

Fragile Männer

François Ozon sagt, ihm wäre es zunächst vor allem darum gegangen, einen Film über männliche Fragilität zu realisieren. Denn damit hätte er sich in der Vergangenheit eher schwergetan. Dabei ist es gerade Melvil Poupaud – er spielt in „Grâce à Dieu“ Alexandre Guérin, der gewissermaßen den Aufschlag zur Initiative „La Parole Libérée“ („Das gebrochene Schweigen“) gibt, unter deren Schirm sich nach und nach zahlreiche Männer sammeln.

08.02. 18.45 Uhr Berlinale Palast

09.02. 09.30 Uhr Zoo Palast 1

09.02. 14.45 Uhr Friedrichstadt-Palast

09.02. 20 Uhr Haus der Berliner Festspiele

09.02. 22.30 Uhr Kino International

10.02. 20 Uhr Kino Union

Aber es stimmt: In „Grâce à Dieu“ rollen mehr Tränen über die Gesichter von Männern als in früheren Arbeiten. Der Film ist auch ein Potpourri an Facetten von Männlichkeit.

Jeder der drei Protagonisten verkörpert einen anderen Umgang mit den traumatischen Erlebnissen, die sich im Pfadfinderlager, im Fotolabor oder Büro (Ozon inszeniert sie bis auf die letzte Einstellung dieser Art als stumme Flashbacks) zugetragen haben: Alexandre Guérin als introvertierter, erfolgreicher Typus mit großer Familie und weitestgehend intaktem Glauben, François Debord (Denis Ménochet), hemdsärmeliger Atheist, der „La Parole Libérée“ die nötige Schlagkraft verleiht.

Und Emmanuel Thomassin (Swann Arlaud), dank dem „Grâce à Dieu“ etwas an Geschwindigkeit verliert. Trotzdem ist es vielleicht genau die richtige Geschwindigkeit, um diesem schwierigen Thema zu begegnen.

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