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Energie vom Fruchtfleisch der Kaffeekirschen

Marcala ist eine der bedeutenden Kaffeeregionen von Honduras und der Sitz der Genossenschaft Comsa. Die 1.550 Mitglieder setzen auf Bioqualität. Das ist dort eine Marktnische

Von Knut Henkel

Zwei unter eine Dachlatte geklemmte leere Kaffeesäcke sorgen hinter dem Tresen der Recepción für Schatten. Auf dem Sackleinen ist in fetten Lettern „COMSA“ aufgedruckt, darunter prangen das Fairtrade-Logo und jenes der Zertifizierungsgesellschaft Bio Latina. Es ist früher Nachmittag, gerade sind ein paar Männer im Pick-up vorgefahren und haben einige Säcke mit roten Kaffeekirschen auf die Waage geschleppt und sie anschließend auf dem Rost ausgekippt, unter dem die Schälmaschine läuft.

„Das sind die allerersten Kaffeekirschen der Ernte 2018/19. Die hat gerade erst begonnen und läuft bis Ende März, maximal bis Anfang April“, so Rodolfo Peñalba, der quirlige, kleingewachsene Mann ist der Geschäftsführer von Café Orgánico Marcala S. A., kurz Comsa. Die Genossenschaft hat ihren Sitz im Südosten von Honduras, in Marcala, rund zwei Fahrtstunden südöstlich von Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras. Die Kleinstadt mit rund 35.000 Einwohnern gilt als Mekka der Kaffeewirtschaft des mittelamerikanischen Landes. Nur hier gibt es mit „Café Do Marcala“ eine Herkunftsbezeichnung für die aromatischen Bohnen. Die weisen für die Region typische Geschmackscharakteristika auf und durchlaufen eine besonders sorgfältige Auslese. Qualität ist das wichtigste Kriterium für Rodolfo Peñalba. Der gehört zu den Initiatoren der am 13. Dezember 2001 als kleinbäuerliche Aktiengesellschaft mit 69 Mitglieder gegründeten Genossenschaft. Heute zählt sie rund 1.550 Genossinnen und Genossen. Ihr Credo trägt sie gleich im Namen: den biologischen Kaffeeanbau.

Auf Biokaffee entfallen derzeit rund 55 Prozent der Produktion, der Rest wird konventionell produziert. „Allerdings befinden sich viele Kaffeefarmen in der Umstellung“, meint Peñalba, hinter dem eine riesige betonierte Fläche zu sehen ist, an deren Ende eine große Lagerhalle steht. Dort trocknen Kaffeebohnen in der Sonne. In regelmäßigen Abständen werden die hellen Bohnen von Arbeitern gewendet, damit sie gleichmäßig trocknen. „Wenn die Ernte auf vollen Touren läuft, trocknen wir den Rohkaffee in zehn großen rotierenden Trommeln, in die warme Luft geleitet wird. Die stehen in der Halle“, erklärt Peñalba die Abläufe.

Die nötige Energie dafür wird von Sonnenkollektoren auf dem Hallendach geliefert, und auch eine Biogasanlage, wo das Fruchtfleisch der Kaffeekirschen energetisch verwertet wird, gehört zum „Beneficio ­Humedo“. Dort laufen alle Prozesse vom Schälen der Kaffeekirschen über das Waschen der Kaffeebohnen bis zum Trocknen ab.

„Da steckt ein ausgeklügeltes Konzept hinter“, meint Oscar Omar Alonzo und deutet auf Peñalba. Der spricht gerade mit der Genossin, die für die Annahme der Kaffeekirschen an der Recepción verantwortlich ist. „Rodolfo ist das Hirn von Comsa“, fügt der stämmige Kaffeebauer hinzu, der bei Comsa von Beginn an dabei ist.

„Von ihm kommen viele der Ideen, die wir umgesetzt haben. Ob es der Bau der Biogasanlage oder das Recyclingprojekt ist, was bei uns erfolgreich läuft und nun auf die ganze Stadt übertragen werden soll“, lobt Alonzo. Seine Kaffeefarm befindet sich eine halbe Fahrtstunde von Marcala entfernt auf 1.550 Metern über dem Meeresspiegel. Dort sind die klimatischen Bedingungen so gut, dass der 46-Jährige sich vor Anfragen kaum retten kann. „Das geht nicht nur mir so. Wir haben von Beginn an auf Qualität und nicht auf Quantität gesetzt. Das zahlt sich jetzt doppelt aus, denn derzeit sind die Weltmarktpreise im Keller“, erklärt er auf dem Weg in die Berge.

Mit 1,04 US-Dollar wurde ein amerikanisches Pfund (456 Gramm) Kaffee an der Börse von New York Ende Januar gehandelt. Zu wenig, um die Produktionskosten zu decken, und da zahlt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus, dass Comsa von Anfang an auf Fairtrade-Partner und auf nachhaltige Produktionsstrukturen setzte. Das garantiert allen Genossinnen und Genossen Preise, die deutlich über dem Börsenpreis liegen. Einzelne Bauern wie Oscar Omar Alonzo haben sich allerdings komplett von der Börsenlogik abgekoppelt. „Ich produziere Gourmetkaffee, der auf der Skala der US-amerikanischen Spezialitätenkaffeevereinigung SCAA zwischen 84 und 89 Punkte erreicht. Das garantiert mir andere Preise und eine hohe Nachfrage“, erklärt Alonzo und steigt an der Einfahrt zu seiner Kaffeefarm aus dem Pick-up.

Cual Bicicleta hat er seine Finca genannt, die mit rund 17 Hektar Fläche schon zu den größeren gehört. Obst- und auch Edelholzbäume spenden seinen Kaffeepflanzen, deren Setzlinge er selbst zieht, Schatten; Mais, aber auch Yucca und Malanga baut er für die Versorgung seiner Familie an. Regelmäßig berät er sich mit anderen Kaffeebauern über deren Erfahrungen mit Saatgut, mit Biodüngemitteln und tauscht sich auch mit den Comsa-Agrartechnikern aus. Derzeit experimentiert er mit gemahlenen Kokosschalen. „Die saugen das Wasser auf, dienen als Reservoir und geben das Wasser nach und nach an die Pflanzen ab. In Zeiten des Klimawandels, wo Wasser knapper wird, eine gute Alternative“, so Alonzo. Seine positiven Erfahrungen gibt er weiter – an die Nachbarn, aber auch an seinen Freund Rodolfo Peñalba.

So entstehen neue Konzepte, um effektiver und zugleich nachhaltiger zu produzieren. Davon profitiert die gesamte Genossenschaft, die den Kaffee der Mitglieder auch direkt exportiert. Über 500 Container sind es im Jahr, und dafür gibt es ein separates Lager, das Benificio Seco am Ortsausgang von Marcala.

Dorthin bringt auch Oscar Omar Alonzo seinen Kaffee, der von dort auf die Reise in die Welt geht. Nach Deutschland, wo faire Röstereien wie Flying Roasters aus Berlin oder Quijote Kaffee aus Hamburg Abnehmer sind, aber auch nach Japan, Taiwan oder Schweden. Alle Kunden erhalten nur noch kleine Mengen, denn Alonzo setzt genauso wie Comsa auf langfristige Kooperationen. Dadurch haben Alonzo und die Comsa-Mitglieder gute Karten in der derzeitigen Kaffeekrise. Sie haben sich eine Nische im hart umkämpften Kaffeemarkt erschlossen – dank Bioqualität.

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