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heute in hamburg„Jeden Artikel kontrolliert die Geheimpolizei“

Humayra Bakhtiyar, 32, Journalistin, musste ihre Heimat Tadschikistan verlassen, nachdem sie Interviews mit Oppositionellen gemacht hatte. Sie lebt in Hamburg im Exil.

Interview Knut Henkel

taz: Frau Bakhtiyar, wie sind Sie nach Deutschland gekommen?

Humayra Bakhtiyar: Ich konnte mein Land dank eines Stipendiums der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte verlassen. In Tadschikistan konnte ich meine Arbeit nicht mehr machen.

Wie greift der Staat in die Berichterstattung ein?

Dafür ist die Geheimpolizei verantwortlich. Erst hat sie die Redaktionen unter Druck gesetzt, auch Journalisten wie mich. Jeder Artikel muss vor der Veröffentlichung genehmigt werden. Seit zwei Jahren verlangt die Geheimpolizei, dass von ihr selbst verfasste Artikel gegen unliebsame Personen auch publiziert werden.

Warum sind Sie ins Ausland gegangen?

Ab 2013 hat die Geheimpolizei die Redaktionen direkt aufgesucht, mit Journalisten gesprochen und Druck ausgeübt. Sie haben uns aufgefordert, Kritik zu unterlassen. Sie kamen in die Redaktion der Zeitung Ozodagon und sagten mir, was ich schreibe, sei nicht wahr. Ich sei jung und verstehe nicht, wie die Politik funktioniert, was Meinungsfreiheit sei. Warum ich so ein Risiko eingehe, nicht an meine Familie denke? Sie haben mich aufgefordert, Informationen aus der Redaktion zu liefern. Ich habe sie darauf aufgefordert, mir das schriftlich zu bestätigen. Das haben sie verweigert.

Sie sollten als Informant aus der Redaktion auf deren Lohnzettel arbeiten?

Ja, ich habe es abgelehnt, meine Kollegen auszuspionieren.

Was passierte dann?

Sie haben meinen Facebook-Account gehackt, Fotos von mir auf ihrer Seite publiziert, mich als Prostituierte diffamiert, Falschinformationen über mich und meine Familie veröffentlicht. Ich wurde observiert, mein Telefon abgehört.

Gespräch Regimekritik als Wagnis, mit Humayra Bakhtiyar und Edda Schlager, Zentralasien-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, 19 Uhr, Körber Forum, Kehrwieder2

Damals sind Sie nach Deutschland gereist, haben drei Monate bei der Deutschen Welle gearbeitet – und sind zurückgekehrt.

Ja, ich wollte zurück. Dort wurde ich gebraucht, davon war ich überzeugt. Aber die Situation war brisant. Ich wurde von der Nachrichtenagentur Asia Plus entlassen. Ich habe dann freiberuflich weitergearbeitet, unter anderem für Ozodagon, aber es war überaus schwierig. Dann kam das Stipendium und ich bin über Bulgarien nach Hamburg gekommen.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Ich lerne Deutsch, will hier als Journalistin arbeiten. Am 12. Februar habe ich meine nächste Prüfung.

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