: Wenig Geduld für Bullshit
Ein eigensinniger Typ: Vor einem Jahr ist der Hamburger Avantgarde-Saxophonist Rolf Pifnitzka verstorben. Zum ersten Todestag gedenken Mitstreiter*innen des außergewöhnlichen Musikers mit einem Konzert
Von Jan Paersch
Rolf Pifnitzka war einer, der unterm Radar lief. Ein Musiker ohne Website, ohne Wikipedia-Eintrag, im Netz finden sich nur wenige Videos. Der Sender Byte FM bezeichnete Pifnitzka, am 31. Mai 1955 geboren, als einen „der unterschätzten musikalischen Freigeister Deutschlands“. Ende der 1980er-Jahre entdeckte der Saxophonist den Free Jazz für sich. Seitdem spielte er seine Musik zwischen Jazz, Punk und freier Improvisation in ständig wechselnden Formationen, darunter Tisch 5, die Sun-Ra-Tributband Rocket No. 9 und im Quartett Piho Hupo mit Musikern wie Chad Popple und John Hughes.
Pifnitzka gab noch international Konzerte, nachdem bei ihm ein unheilbarer Gehirntumor diagnostiziert worden war. Am 15. Januar vergangen Jahres starb er in Hamburg. Anlässlich seines ersten Todestages spielen im Hamburger B-Movie am heutigen Donnerstagabend fünf verschiedene Formationen. Dabei sind auch zwei langjährige Weggefährten: der Bassist John Hughes und der Drummer Dirk Achim Dhonau.
Ein „eigensinniger, ja ein zuweilen eigenartiger“ Typ sei Pifnitzka gewesen, sagt Hughes. Gemeinsam hätten sie in Kiel mal freie Improvisation machen sollen, anschließend habe es einen Livestream einer Puccini-Oper geben sollen. „Das war ein ganz anderes Publikum. Leute, die sich Sitze mit Handtüchern reservieren“, sagt Hughes. „Da kam eine Frau angerannt und schrie, dass wir sofort aufhören sollten. Und Rolf hat ihre Stimme mit seinem Saxophon imitiert. Er hat auch Leute gebeten, zu gehen, wenn sie während seiner Konzerte redeten. Er war einfach ein krasser Typ, der wenig Geduld für Bullshit hatte.“
Dass seine Musik so wenig wahrgenommen worden sei, habe damit zu tun, dass Pifnitzka Musik „für sich“ gemacht habe, sagt Dhonau. „Die Musik war Selbstzweck. Er hat darüber auch theoretische Abhandlungen geschrieben, die seine Philosophie auf den Punkt bringen.“
Klassische Querflöte hatte Pifnitzka ursprünglich mal studiert, brach aber schon bald mit der Klassik, spielte melodischen Fusion und Jazz, ganz autodidaktisch, wandte sich schließlich freier Musik zu. Mit ganzer Kraft und ganzem Körpereinsatz: „Er hat sich nie geschont“, sagt Dhonau. „Er hat auch seine Stimme eingesetzt, und spielte bis zu drei Saxophone auf einmal.“
Provokativ sei Pifnitzkas Spiel gewesen, immer habe er sich an anderen Saxophonisten gerieben, ergänzt Hughes. „Das hat er nicht absichtlich gemacht, das war einfach in ihm drin. Er war einfach unglaublich ehrlich, das ist selten in der Musik.“
„In memoriam Rolf Pifnitzka“ mit Tisch 3, Hosho, Gödecke/Dhonau, Trisonar sowie Plattenrelease „Jojo Defek Quartet – Das blaue Licht – 2014-2018“ : Mi, 23. 1., 20 Uhr, Hamburg, B-Movie
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