Film ab – aber grün, öko und sozial

Plastikgeschirr, tonnenweise Papier, Käsesauce aus Palmöl: Der Kinobetrieb orientiert sich leider oft nicht an den Regeln der Nachhaltigkeit. Um das zu ändern, brauchen vor allem kleinere Filmtheater Geld und gute Ideen für mehr Umweltverträglichkeit

Hauptsache, der Fun Factor stimmt: Vielen Kino­be­su­cher*innen ist der Umwelt- und Sozialaspekt schlicht egal Foto: Odilon Dimier/imago

Von Sinan Recber

Freitagabend, und es herrschen bitterkalte Temperaturen. Eine gute Zeit also für einen Kinobesuch: Das mollig-warme Foyer des Filmtheaters ist hell erleuchtet, an der Theke warten Popcorn, Nachos mit Käsesauce in der Plastikschale und eine Limo im Becher mit Plastikstrohhalm auf die Zuschauer*innen. Überall liegen bunte Flyer und Ankündigungen für die nächsten Blockbuster aus. Wer auf die Toilette muss, kann die Abfalleimer voller Papierhandtücher nicht übersehen.

Bei jährlich rund 120 Millionen Be­su­cher*innen in deutschen Kinosälen ist das eine ganz schöne Öko-Sauerei. „Für die Kinos ist es eine Glaubwürdigkeitsfrage, wenn sie anspruchsvolle, kritische Filme zeigen, dann auch entsprechende Produkte anzubieten“, sagt Birgit Heidsiek von Green Film Shooting, dem Europäischen Zentrum für Nachhaltigkeit im Medienbereich. „Inzwischen ist das Thema Nachhaltigkeit längst auch im Kino angekommen“.

Um zu zeigen, wie es gehen kann, hat Heidsiek „Das Grüne Kinohandbuch“ herausgegeben. Darin geht es beispielsweise um den Verzicht auf Plastikstrohhalme, um Kinorabatte für Bus- und Bahnfahrer*innen oder um Solaranlagen auf dem Dach der Nürnberger Cinecittà. Das größte Multiplex-Kino Deutschlands hat sich sogar zwei eigene Blockheizkraftwerke einbauen lassen und konnte damit die jährlichen Energiekosten von 700.000 Euro für Heizung, Strom und Wasser halbieren. Mit der entstehenden Abwärme lässt sich nun das gesamte Gebäude heizen.

Vom 7. bis 17. Februar findet in Berlin eines der wichtigsten Filmfestivals der Branche statt: die Berlinale.

Der Anspruch

Nicht nur in zahlreichen Filmen und Beiträgen wird auf Umweltverschmutzung hingewiesen oder die Verletzung von Menschenrechten angeprangert. Die Berlinale will auch bei ihren Veranstaltungen das Festival öko und sozial erscheinen lassen.

Die Umsetzung

Zum Beispiel beim Kulinarischen Kino. Dort geht es um Essen, Genuss und Politik. Außerdem hat die Berlinale ihre Klimabilanz in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert – etwa über gezielte Maßnahmen, um klimaschädliche Emissionen zu verringern. (taz)

Doch es muss nicht immer ein eigenes Kraftwerk sein: Nachhaltigkeit beginnt bereits bei den Snacks an der Theke. Werden die Nachos in der Pappschachtel oder in der Plastikschale serviert? „Oftmals ist Pappe nur gefühlt besser als Plastik“, sagt Heidsiek. Aber eben nur gefühlt. Nachokartons sind oftmals beschichtet. Weil man beschichtetes Papier nicht in den Papiercontainer werfen kann, sondern als Leichtverpackung entsorgen muss, schneidet Kunststoff sogar besser ab. Dieser lässt sich laut grünem Kinohandbuch nämlich nicht nur je nach eingesetztem Stoff recyceln, sondern ist häufig auch noch energieeffizienter. Papierherstellung ist CO2-intensiv und verbraucht viel Strom.

Wer ins Kino will, muss natürlich auch erst einmal ins Filmtheater kommen. Die Art und Weise, wie die Besucher*innen im Kino ankommen, lässt sich beeinflussen. Kooperationen mit öffentlichen Verkehrsbetrieben können für viele Besucher*innen ein Anreiz sein, auf das Auto zu verzichten und stattdessen auf Bus und Bahn umzusteigen.

Korina Gutsche von der AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater leitet das von der Bundesregierung geförderte Projekt „Kino natürlich“, das den Betrieb nachhaltiger gestalten will. Für Gutsche endet das Thema Nachhaltigkeit nicht beim ökologischen Fußabdruck der Betriebe. Auch das Programm ist wichtig: „Engagierte Filmemacher*innen finden in den Arthousekinos Gehör. Diese Offenheit gehört zu unserem Verständnis als Kulturort mit Bildungsauftrag.“ Es soll nicht nur darum gehen, Filme zu zeigen, sondern auch darum, klar Position zu beziehen. Beispielsweise über Thementage. In manchen Arthouse-Betrieben flimmern auch Dokumentationen über die Leinwände, die Palmöl-Anbau oder Plastikwahnsinn problematisieren: Bilder zeigen die Rodung von Regenwäldern, von pestizidverseuchtem Grundwasser oder Schildkröten, die an Plastikteilchen im Magen verenden.

Das finden zwar alle schlimm, aber während der Film läuft, tauchen die Zuschauer*innen dann doch ihre Nachos aus der Plastikschale in die Käsesauce. Hauptzutat: Palmöl. Expertin Heidsiek kritisiert daher: „Wenn der Kinobetreiber an der Theke genau all die Produkte anbietet, in denen das Palmöl enthalten ist, unterstützt er damit das System Palmöl.“

Für die Kinos ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit

Birgit Heidsiek, Green Film Shooting

Kinobetreiber Christian Pfeil macht es besser. Er hat neben regionalen Produkten, Mehrweggeschirr und LED-Beleuchtung sogar eine Solaranlage auf einem seiner Kinos in Gera. Das 80.000 Euro teure Gerät auf dem „Metropol“ wird sich bei steigenden Stromkosten in weniger als zehn Jahren bezahlt gemacht haben. Der Energiebedarf des Lichttheaters liegt schätzungsweise bei 35.000 Kilowattstunden jährlich, der selbst erzeugte Solarstrom deckt etwa 25.000 Kilowattstunden ab – also mehr als 70 Prozent.

Das klingt gut, aber: „Das Geschäftsmodell von kleineren Kinos bildet größere Investitionen nicht ab“, sagt Pfeil. Umfassendere Maßnahmen für Nachhaltigkeit seien gut und schön, aber „man muss es sich eben leisten können“. Die Subventionen, die es für einen nachhaltigen Umbau der Filmtheater gebe, seien marginal und nicht aufeinander abgestimmt. Pfeil wünscht sich daher einen Fördertopf mit klaren Kriterien, über den man für nachgewiesene Maßnahmen entlohnt wird. Solange das große Geld fehlt, können sich Kinobetreiber*innen durch Korina Gutsche beraten lassen oder sich auf der Webseite von „Kino natürlich“ umschauen. Dort heißt es: „Jede Maßnahme, die Ressourcen spart und CO2-Emissionen reduziert, zählt!“