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Freikorps- Führer ruht in Ehren

In Kiel gibt es immer noch ein Ehrengrab für Wilfried von Loewenfeld, der mit seiner Marinebrigade gegen die Weimarer Republik gekämpft hatte. Die Stadt Kiel braucht noch Zeit, um ihre Entscheidung von 1968 zu revidieren

Von Esther Geißlinger

Immer wenn’s um die Marine geht, werden die Dinge in Kiel schwierig. Zu eng ist die Existenz der Stadt mit der Waffengattung verknüpft. Nun quält sich die Landeshauptstadt mit einem Ehrengrab für Wilfried von Loewenfeld, einen Marineoffizier, dessen Brigade beim so genannten Kapp-Putsch 1920 gegen die junge Weimarer Republik gekämpft hatte. Ausgerechnet eine sozialdemokratische Stadtpräsidentin hatte 1968 die Anerkennung des Ehrengrabes unterschrieben. Heute tut sich der Stadtrat schwer, den Status des Grabes schnell zu ändern.

„Ich persönlich finde diese Angelegenheit und den aktuell noch fortwährenden Status des Ehrengrabs empörend“, sagte der SPD-Stadtrat Moritz Koitka der taz. Doch als die Ratsversammlung im November über einen entsprechenden Antrag der Linken beriet, hatte Koitka für seine Fraktion beantragt, die Sache zu vertagen. Denn obwohl die SPD der Linken „für den Impuls sehr dankbar“ sei, sei der Antrag „bei aller offensichtlich gegebenen grundsätzlichen historischen Korrektheit in einem starken sprachlichen Duktus der Partei geschrieben“, so der Sozialdemokrat.

Der Linken-Interpretation der Historie wollten die übrigen Fraktionen nicht zustimmen, stattdessen wird die Verwaltung „zur Ehrungswürdigkeit des Wilfried von Loewenfeld und zum generellen Umgang mit Ehrengräbern eine Geschäftliche Mitteilung erarbeiten“, so steht es im Protokoll der Ratsversammlung.

Stefan Rudau, Fraktionsvorsitzender der Linken im Kieler Rat, hatte sich zuvor dafür stark gemacht, das Ehrengrab aufzuheben. Zumindest aber solle die Stadt mit einer Gedenktafel klar machen, um wen es sich bei dem Geehrten handele. Loewenfeld „gehört zu denen, die bereits während der Novemberrevolution den Weg zur Zerstörung der Demokratie beschritten haben“, heißt es im Antrag der Linken. Laut dem Kieler Historiker Thomas Herrmann, der ebenfalls für Die Linke im Kieler Stadtrat sitzt, war Wilfried von Loewenfeld seit November 1918 in Kiel stationiert und „nutzte seine Position, um eine Gruppe aus konservativen und völkischen Offizieren zu sammeln. Die wuchs rasch zu einer antidemokratischen Seilschaft auf“.

Feinde der Republik

Freikorps waren „bewaffnete Freiwilligenverbände außerhalb des Heeres“, die ab Dezember 1918 für „Sicherheit und Ordnung sorgen“ sollten, heißt es im Historischen Lexikon Bayerns. Sie wurden etwa gegen die Spartakisten in Berlin und die Münchner Räterepublik eingesetzt.

Das Freikorps Loewenfeld, die „3. Marinebrigade“, wurde auf einen Erlass von Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) gegründet. Die Organisation wurde damit legalisiert und erhielt Waffen, so der Kieler Historiker Thomas Herrmann. .

Während des Kapp-Putsches kämpfte das Freikorps Loewenfeld unter anderem gegen die „Rote Ruhrarmee“, die aufseiten der Weimarer Republik stand. Laut Herrmann soll es zu Folter, Morden und der Vergewaltigung einer 19-Jährigen gekommen sein.

1919 gründete Loewenfeld die „dritte Marinebrigade“, ein Freikorps aus Marinesoldaten. Die Freikorps agierten außerhalb der regulären Armee und wurden in den unruhigen Zeiten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs unter anderem dazu eingesetzt, Aufstände niederzuschlagen (siehe Kasten).

Herrmann war bei einem Recherche-Spaziergang über die Kieler Friedhöfe auf das Ehrengrab gestoßen. Es befindet sich auf dem Nordfriedhof, auf dem deutsche und ausländische Gefallene des Ersten und Zweiten Weltkriegs liegen. Hier ruhen auch die Marineangehörigen, die während des Kieler Matrosenaufstandes getötet wurden.

Auf einem anderen Grabfeld des Friedhofs steht der Findling für die Brigade Loewenfeld. Er ist mit einem Anker und einem Kranz geschmückt und erinnert mit einer Inschrift und einer Namensliste an die „tapferen Kameraden“, die „in treuer Pflichterfüllung in den Märztagen 1920“ umkamen: „Ehr und Mut und Treue, bis ich falle!“ Neben 27 Angehörigen des Freikorps, die während des Kapp-Putsches fielen, liegen die Überreste Wilfried von Loewenfelds in der Grabstätte, der erst 1946 gestorben ist.

Den Ehrenstatus erhielt der Findling per Ratsbeschluss vom 11.Juli 1968. Ein Ehrengrab erhalten laut Friedhofsordnung der Stadt „Opfer von Kriegen und politischer Wirren sowie Persönlichkeiten, die sich um die Allgemeinheit verdient gemacht haben“.

Nichts davon treffe auf den Freikorps-Führer und seine Leute zu, sagt Thomas Herrmann: „Es sind weder Opfer von Kriegen, noch hat sich der Herr Loewenfeld um die Allgemeinheit verdient gemacht. Vielmehr hat er von Anfang an versucht, die Weimarer Republik zu zerstören.“

Dass die SPD-Stadtpräsidentin Ida Hinz damals ihre Unterschrift unter die Urkunde setzte, sei „in Unkenntnis heute zugänglicher historischer Fakten und unter dem Eindruck eines gesamtgesellschaftlichen konservativen Klimas“ geschehen, glaubt Stadtrat Koitka. Der Friedhof hatte bis Ende des Zweiten Weltkriegs der Marine gehört. Danach pachtete die Stadt das Gelände, in den 1960er-Jahren übernahm sie es dann – und „die Ehrengräber wurden auf Vorschlag der Marine pauschal anerkannt“, meint Herrmann: „Da wurde wohl nichts besprochen und überprüft.“

Das soll diesmal anders werden. Das Stadtarchiv soll die Rolle der Freikorps und Loewenfelds erforschen und bewerten, so Koitka: „Wir möchten einen breitestmöglichen gesellschaftlichen Konsens zur Aufhebung.“ Angedacht ist, dass das Grab im Jahr 2020 seinen Status verliert – pünktlich 100 Jahre nach dem Kapp-Putsch.

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