: Kalbitz ist AfD-Spitzenkandidat
Brandenburger AfD-Landeschef Andreas Kalbitz führt in die Landtagswahl im September
Ganze 15 Stunden lang blieb Versammlungsleiter Christoph Basedow auf dem Parteitag der Brandenburger AfD auf seinem Posten. Von einem Podest im Hotelsaal dirigierte er über sechs Stunden die Stimmabgabe von rund 500 Parteimitgliedern – und verharrte auch auf dem Platz, als sich nach Ende des Wahlgangs der Saal nach und nach leerte. Als die ersten der zunächst etwa 40 Stimmzähler am Sonntagabend aufgaben, mussten neue Zähler nachgewählt werden. Am frühen Montag, kurz vor 1 Uhr, gab dann auch Basedow schließlich auf. „Ich unterbreche die Sitzung“, verkündete er den letzten sechs Anwesenden. „Ich muss mal an die frische Luft.“ Auf mehr als 40.000 hatte die Zählkommission die abgegebenen Stimmen für die insgesamt 86 Bewerber geschätzt.
Um 2 Uhr gab dann die Wahlleitung eine Prognose ab: Parteichef Andreas Kalbitz habe wohl die Spitzenkandidatur geschafft. Dessen Wahl galt zuvor keineswegs als sicher. Erst am Montagmorgen kam das Wahlergebnis offiziell: Kalbitz führt die Partei mit einem knappen Vorsprung als Spitzenkandidat in die Landtagswahl im Herbst.
Warum dauerte die Wahl der Kandidaten so lange? Auf dem Parteitag wurden die Plätze auf der Landesliste nicht wie bei anderen Parteien in einer eigenen Wahl bestimmt. Spitzenkandidat wird vielmehr derjenige, der bei der Wahl zur gesamten Landesliste die meisten Stimmen erhält. Kalbitz hatte in seiner Bewerbungsrede erklärt, er wolle mit der AfD nach der Landtagswahl auch regieren. „Wir wollen und wir müssen Verantwortung übernehmen für unser Land und für die Menschen in unserem Land. Das ist unsere Kampfansage an Rot-Rot.“
Bei der Parteispitze machte sich im Laufe des Abends zunehmend Fassungslosigkeit breit: Nach einem dreitägigen Wahlmarathon seit Freitagabend war am Montagmorgen noch immer nicht gesichert, mit welcher Mannschaft Kalbitz in den Wahlkampf ziehen kann – und ob er diesen überhaupt selbst anführen darf. Denn die ursprünglich vorgesehene Wahl des Spitzenkandidaten, bei der Kalbitz sich die Führung sichern wollte, wurde vom Parteitag abgesetzt. Für die Partei und ihre Mitglieder bleibt ein mittlerer Scherbenhaufen: Den Wahlkampf beflügelt eine Kandidatenkür vor leeren Rängen am frühen Morgen nicht.
Auf den Gängen des Versammlungshotels machte sich Unmut über das Wahlverfahren – und mögliche Tricksereien – breit. Denn zur Wahl am Sonntag waren rund 160 Mitglieder mehr geeilt als tags zuvor zu den Bewerbungsreden im Saal. Möglicherweise habe der ein oder andere Kandidat da noch seine Truppen zusammengetrommelt, um einen Sitz im Landtag zu ergattern, mutmaßten einige enttäuschte Parteimitglieder. Die vom AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland auf dem Parteitag beschworene Einigkeit der Parteimitglieder befördert das nicht.
Der Höhenflug der AfD mit aktuellen Umfragewerten um 20 Prozent in Brandenburg führt so eher zu einem Konkurrenzkampf. Bei solch einem Wahlergebnis bei der Landtagswahl im Herbst könnte die AfD die Zahl ihrer derzeit neun Abgeordneten in der Fraktion mehr als verdoppeln. Und wie die ungewöhnlich hohe Zahl von 86 Bewerbern auf die Plätze zeigt, gibt es großes Interesse an den gut dotierten Mandaten. (dpa)
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