piwik no script img

Alles im (Fahr-)Plan fürs Wohlfühlklima

Heizen ist im taz Neubau ein sehr komplexer, aber effektiver Trip

Von Andreas Bull

Am Anfang war Unbehagen oder eher ein leichtes Murren. Kaum hatten auch die letzten Umzugskisten den Weg in den Neubau gefunden, war die taz vollständig umgezogen, begannen mehr als nur ein paar einzelne Stimmen über die gefühlt etwas frische Temperatur im neuen Haus zu meckern. Sicherlich, es mag bessere Zeitpunkte geben als die Heizperiode im Spätherbst, damit sich ein frisch installiertes und hochkomplexes Heizungssystem und eine in ihren Ansprüchen sehr vielfältige und kritische Nutzer*innenschaft aufeinander einstellen können.

Aber was heißt schon heizen in einem modernen Bürogebäude? Große Glasflächen transportieren sogar an Wintertagen noch Strahlungswärme der Sonne in die Räume, und die gut gedämmte Hülle sorgt dafür, dass die Wärme drin bleibt. Der zusätzliche Heizbedarf bleibt überschaubar. (Energiehunger, so die Erkenntnis, haben Gebäude vor allem im Sommer, wenn gekühlt werden muss.) Doch wie erreicht nun das hier rechts abgedruckte Gebilde in der Heizperiode die Ziele für den taz Neubau – rund 21 Grad Celsius Raumtemperatur und niemanden, der klagt.

Zunächst sind die vier Heizkreise gefragt, die die unterschiedlichen Nutzungszonen im taz Neubau versorgen. Gerade einmal 28 Grad beträgt die maximale Vorlauftemperatur, mit der 30.000 Liter Wasser pro Stunde in einem geschlossenen System durch die rund 300 Klimakonvektorkästen vor den Fenstern der Büroflächen fließen. Das reicht, weil kleine Ventilatoren in den Gehäusen die Büroluft an den großen Flächen der Wärmetauscher mit sanfter Zirkulation vorbeiziehen. Die erwärmte Luft wird dann lateral zu den Fensterflächen wieder abgegeben.

Der Bus fährt los

Nach einem raffinierten Fahrplan läuft das Heizwasser auf seinem Kurs durch das Gebäude vorbei am Computerpark im Dach, spendet den Servern Kühle und nimmt dafür ihre Abwärme auf. Vorbei geht es auch an den Aggregaten der Kühlhäuser der taz Kantine, denn wo gekühlt wird, entsteht auf der anderen Seite Wärme, die nicht vergeudet werden soll. Weiter geht es zur nächsten Abwärme-Quelle, der Kleinkälteanlage im Tresen der taz Kantine, welche taz Panter Bräu und Co. auf 10 Grad temperiert. Von alldem also nimmt unser Heizkreislauf die Quäntchen mit, die dem Heizwasser die benötigte Wärme verleihen.

Was zu viel des Guten ist, wird von anderen Kreisen gern aufgenommen. An bestimmten Punkten regeln Ventile das Umsteigen etwa zur Fußbodenheizung im Erdgeschoss. Weder Menschen noch Häuser mögen kalte Füße. Und damit Empfang, Foyer, taz Shop, die taz Kantine und die Veranstaltungsräume wohlig temperiert sind, muss das System der Fußbodenheizung 40 bis 45 Grad bereitstellen. Auch das Treppenhaus und die Räume im WC-Trakt haben konventionelle Heizkörper, die Strahlungswärme abgeben und daher ein wärmeres Medium benötigen.

Das Klimasystem betreibt noch eine weitere „Buslinie“, die in einem Kreislauf die einmal erzeugte Wärme wieder verwendet: Die mechanische Zuluft (also zusätzlich zum Fensteraufmachen), die durch ein Rohrsystem in die Büroflächen geleitet wird, strömt über das Treppenhaus wie durch einen Kamin ab. Dann wird es aber nicht einfach aus dem Schornstein geblasen, sondern aufgefangen, gefiltert und mit einer Wärmerückgewinnungsanlage wieder eingespeist.

Und wenn alles nicht reicht, hilft uns der Anschluss an das Fernwärmenetz der Berliner Blockheizkraftwerke, deren Wasser mit 90 bis 95 Grad anliegt. Dies kann stützend verwendet werden, wenn in einer Starkfrostperiode der hauseigene Energiebus aus Bordmitteln nicht genug Wärme nachliefern würde.

Wenn’s optimal läuft, ist bis dahin schon längst wieder Sommer. Und wo lang fährt dann unser Bus? Im Prinzip dieselbe Route mit demselben Wasser. Nur lässt er dann einige Stationen aus und nimmt dafür eine weitere Strecke in Betrieb. Denn das Wasser brauchen wir ja jetzt zum Kühlen. Die dafür vorgesehene Wassertemperatur soll möglichst nah an 17 Grad liegen. Die 300 Geräte an unseren Fensterfronten, die eben noch als Heizungen dienten, werden dann zu Kühlaggregaten, die warme Büroluft ansaugen, an den Kühlrippen vorbeileiten und für ein behagliches Raumklima sorgen. Der Wasserbus nimmt dazu einen Umweg über die Kühltürme im Dachgeschoss. Dort wird in einem sogenannten adiabatischen Prozess Verdunstungskälte erzeugt. Dazu wird Leitungswasser auf die große Oberfläche von Dutzenden Kupferröhrchen versprüht und mit dem Luftstrom von Ventilatoren getrocknet.

Aber das ist eine andere Geschichte. Die können Sie in etwa einem halben Jahr lesen – wenn die ersten Erfahrungswerte reflektiert sein werden. Und wenn der Sommer heizt – und Kühlung nottut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen