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Ein Provisorium namens Pergamon

Es war einmal ein Museum, das sehr beliebt war, besonders unter Berlin-Besucher*innen. Eines Tages musste das Museum – es war das Pergamonmuseum – renoviert werden. Und wie dann aus einem Museum zwei wurden und was die Folgen waren, erzählen wir hier

Von Giuseppe Pitronaci

Dies ist die Geschichte vom berühmtesten Museum Berlins und wie es in eine Phase der Not geraten ist: Das Pergamonmuseum war so etwas wie Berlins Louvre, in jedem Reiseführer markiert mit dem Maximum an Sternchen, mit einem „Must-see“-Stempel, in einer Reihe mit Brandenburger Tor und Bundestagskuppel. Zu Recht. In dem Riesenbau, eröffnet 1930, konnte man Riesenarchitektur sehen: aus dem antiken Babylon, dem Römischen Reich, Nordafrika. Das Must-see unter den Must-sees aber war der Pergamonaltar mit dem Gigantenfries, einem Prunkstück des Hellenismus, also aus griechischer Zeit, gebaut im 2. Jahrhundert vor Christus in Kleinasien, wo heute die Türkei ist.

Der Fries zeigt, wie Zeus und andere Götter die Giganten bekämpfen, bestürmen, besiegen. Ein Spektakel in weißem Marmor. Eingebaut in eine Riesenhalle mit Oberlicht, in der Mitte des dreiflügeligen Museums. So beeindruckend, dass man später das ganze Museum danach benannte. Trotz Rom, Babylon, Nordafrika.

2014 wurde die Halle geschlossen. Die Sanierung stand an. Das Pergamonmuseum sollte fit werden fürs 21. Jahrhundert, mit Technik aus dem 21. Jahrhundert. Und mit Anschluss an die Promenade, die in Zukunft vier der fünf Häuser auf der Museumsinsel verbinden soll – eine Art Piste für Reisende mit Eile und Highlight-Abhak-Liste.

Der Südflügel des Pergamonmuseums aber blieb offen. Das ist etwa ein Drittel des Hauses, das somit nicht ganz schließen musste. Der Plan: Wenn Nordflügel und Hauptsaal mit dem Altar wieder öffnen, schließt der Südflügel zur Sanierung. Das sollte mal 2019 der Fall sein, momentan aber heißt es: frühestens 2024.

Aus eins mach zwei

Immerhin, auch der Südflügel bietet Spektakuläres, immer noch genug für Maximal-Sternchen: Das Ischtar-Tor aus Babylon. Eine Eingangsfassade zu einem Markt im Römischen Reich. Eine Palastfassade aus der jordanischen Wüste. Und so weiter. Aber nichts aus griechischer Epoche. Und kein Pergamonaltar. Im Pergamonmuseum. Der Eintrittspreis blieb trotzdem bei 12 Euro. Die Besucherzahlen gingen von über 1 Million auf rund 750.000 im Jahr zurück. Längst aber gab es die Idee zu einem provisorischen Bau.

Dieses Provisorium entstand gegenüber der Museumsinsel, mit etwa einem halben Jahr Verspätung öffnete es im November. Fährt man mit der S-Bahn durch die Museumsinsel zur Friedrichstraße, sieht man diese Art Pralinenschachtel, aus der eine Art Gasometer herausragt. An der glatten Fassade steht wie ein Label „pergamon“. Geht man dort rein, ist es wie ein Abtauchen ins antike Pergamon. Hier sieht man einiges von dem, was im Altbau nicht mehr sichtbar ist. Und noch mehr.

Will man ins Pergamonmuseum, braucht man ein Ticket für beide Häuser – für 19 Euro

Statuen sind ausgestellt, die im Umfeld des Altars gefunden worden waren. Durch Spotlights sehen wir einige in Farbe, denn ursprünglich waren sie ja in der Tat bemalt. In vielen Bereichen wird das Licht mal heller, mal dunkler, um Tageszeiten zu simulieren. Denn damals standen die Statuen im Freien, je nach Sonnenstand änderte sich ihre Wirkung, zum Beispiel durch die Schatten der Falten. In einem Raum zeigt eine Computeranimation, wie der Pergamonaltar in der Mittelmeerlandschaft eingebettet war und was davon später in Berlin rekonstruiert wurde. Im Raum daneben sind sogar Fragmente des Altars ausgestellt. Sie gehören zum sogenannten kleinen Fries, der nicht den Kampf der Götter gegen die Giganten darstellt, sondern eine andere mythologische ­Geschichte: die von Herakles-Sohn Telephos, der gemäß Legende Pergamon gegründet hatte.

Angedockt an den Neubau ist der Rundbau, der außen wie ein Gasometer anmutet. Innen hat Künstler Yadegar Asisi eine Momentaufnahme von Pergamon im Jahr 129 n. Chr. dargestellt, also aus der römischen Epoche. Dreißig Meter hoch, als Rundbild. Die Computersimulation wirkt, als hätte jemand ein 360-Grad-Foto gemacht, höher als ein Berliner Mietshaus, sodass die Besuchenden in die Landschaft eintreten. Dort sehen sie zum Beispiel den Altar, bunt bemalt, wie es damals üblich war bei Tempeln und Statuen. In dessen Nähe findet eine Prozession zu Ehren von Dionysos statt. Wo man hinblickt, Gewusel von Menschen in Tunika oder Toga. In der Mitte des Rundsaals ermöglichen Plattformen Blicke aus drei Höhen. Der Wechsel von Hell und Dunkel simuliert Tag und Nacht, in der „Nacht“ hört man die Zikaden, am „Tag“ die Betriebsamkeit der antiken Metropole. Untermalt von einem Soundtrack wie beim Hollywood-Film.

Das Ganze erinnert an Geschichts-Infotainment oder Doku-Fiction: choreografiert und plakativ. Puristen, Traditionalisten, Kulturpessimisten könnten einwenden, dass das zu unwissenschaftlich sei, zu inszeniert und spekulativ. Andere aber argumentieren, dass man so Menschen begeistern kann für ein Thema, für das sie sonst nie Interesse zeigen würden.

Der Besuch im Rundbau mag – bildungsbürgerlich betrachtet – diskutabel sein. Aber er lohnt sich, im Zusammenhang mit den Originalstücken in den Sälen nebenan, als Tauchgang in den Pergamon-Kosmos und als Blick auf Geschichts-Entertainment im Jahr 2018.

Wenn, ja wenn da nicht dieser Preis wäre. Wer ins Pergamonmuseum will, muss jetzt ein Ticket für beide Häuser kaufen: 19 Euro. Obwohl die zwei Häuser verschiedene Themen haben und sich nicht zwingend ergänzen. Im Altbau des Pergamonmuseums ist momentan nichts Griechisch-Hellenistisches. Dafür Rom, Mesopotamien und islamische Kunst. Zwar auch ein paar Architekturfragmente aus Pergamon, aber aus römischer Zeit. Die griechisch-hellenistische Epoche findet gerade nur im Provisorium statt. Es gibt im Moment eben zwei Pergamonmuseen, an zwei Orten, jedes mit eigenen Kassen, Garderoben, Toiletten.

Dennoch hat man beim Ticketkauf keine Möglichkeit, sich für eines der Häuser zu entscheiden. Studierende freilich und andere mit Ermäßigungsberechtigung zahlen die Hälfte, und wer jünger als 18 ist, kommt gratis rein. Dennoch: Es soll sehr viele Beschwerden geben über die Preispolitik, die nicht gerade publikumsfreundlich ist. Warum entschied sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz dennoch dafür?

Intransparenz

Der Grund ist wohl in der Finanzierung des Provisoriums zu sehen. 16 Millionen hat es gekostet – gar nicht mal viel, wenn man bedenkt, dass die Sanierung des Pergamonmuseums vielleicht eine halbe Milliarde kosten wird. Zehn Jahre soll das Provisorium stehen, ab 2025 ist darin vielleicht eine Babylon-Ausstellung zu sehen, weil dann ja der Altbauflügel mit den Babylon-Exponaten saniert werden soll. Von den 16 Millionen des Provisoriums steuerte die Firma Würth 2 Millionen bei, das übrige Geld stammt ganz oder zum Teil von der Immobilienholding Wolff. Wie viel, unter welchen Bedingungen, wer noch Geld zum Bau gegeben hat: dazu erhält die Öffentlichkeit keine genauen Informa­tionen, weder von der Stiftung noch von Würth, Wolff oder der Asisi-Firma.

Klar ist nur: Die Stiftung muss Geld einnehmen zur Refinanzierung. Immerhin: Sie nimmt die Klagen über die Eintrittspreise wahr und will die Preisgestaltung im neuen Jahr prüfen. Die andere Frage ist, wie viel Spielraum sie dabei hat durch die Kooperation mit privatwirtschaftlichen Geldgebenden. Das vorläufige Schlusskapitel der Geschichte könnte also ein Appell sein an die, die gern eines der Pergamonmuseen besuchen möchten: Abwarten, oder sich beschweren, oder beides.

Fortsetzung folgt.

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