: Rückkehr soll leichter werden
Hamburg regelt nun die Resozialisierung
Statistisch gesehen wird fast jeder zweite verurteilte Straftäter erneut straffällig. Besonders hoch ist die Rückfallgefahr im ersten halben Jahr nach der Entlassung. Wie hoch die Quoten in Hamburg sind, wird nicht veröffentlicht – anders als in anderen Bundesländern. Trotzdem hat der Senat offenbar Handlungsbedarf gesehen und ein Resozialisierungs- und Opferhilfegesetz beschlossen, das am ersten Januar in Kraft tritt.
Sechs Monate vor ihrer geplanten Entlassung können die Gefangenen nun beginnen, gemeinsam mit Vollzugsbeamt*innen und Fallmanager*innen ihre Rückkehr in die Gesellschaft zu planen. Sie werden beispielsweise bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützt. Dieses Übergangsmanagement soll verhindern, dass ehemalige Strafgefangene in das sogenannte Entlassungsloch fallen. Das betrifft die Menschen, die ihre Strafe vollständig verbüßt haben und keinen Bewährungshelfer haben.
„Resozialisierung fängt eigentlich erst an, wenn die Menschen in das Umfeld zurückkehren, in dem sie straffällig geworden sind“, sagt Bernd Maelicke. Er ist Kriminologe und war Sachverständiger im Hamburger Gesetzgebungsverfahren. Die neuen Regelungen bewertet er als Fortschritt, weil sie die Verzahnung von ambulanten und stationären Hilfen voranbringt. In anderen Bundesländern fehle eine solche Regelung bisher.
In Hamburg haben die Strafgefangenen nun einen Rechtsanspruch auf einen Eingliederungsplan. „Darauf, dass der Plan auch umgesetzt wird, besteht aber kein Rechtsanspruch“, kritisiert Maelicke. Außerdem kämen die Interessen der Opfer zu kurz. Obwohl es auch ein Opferhilfegesetz ist, wurde beispielsweise die Forderung nach einem unabhängigen Opferschutzbeauftragten nicht umgesetzt. Das sorgte für reichlich Kritik, unter anderem vom Weißen Ring.
Die freien Träger der Straffälligenhilfe profitieren laut Maelicke nicht von der Novelle. „Sie sind die eigentliche Brücke zur Gesellschaft und nah an den Problemlagen der Entlassenen.“ Doch der Senat fördere im Unterschied zu anderen Bundesländern die Freie Straffälligenhilfe nur minimal und investiere mehr in Vollzug und Bürokratie. Tatsächlich wurden zum neuen Jahr unter anderem vier Stellen für Fallmanager*innen geschaffen. Besetzt sind sie allerdings noch nicht, das soll nach Angaben eines Sprechers der Justizbehörde im ersten Quartal des neuen Jahres passieren.
Das neue Gesetz sieht vor, regelmäßig zu überprüfen, ob die Maßnahmen wirken. Völlig unklar bleibt, was das genau heißt. Es fehle an Kriterien und Ressourcen für die Evaluierung, sagt Maelicke. Marthe Ruddat
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