Sterilisationswunsch in jungen Jahren: „Spirale raus, schnippschapp“

Menschen unter 35 haben oft Probleme, jemanden zu finden, der sie sterilisiert. Vier Protokolle.

eine genähte stelle am bauch nach Bauchspiegelung

Eine genähte Stelle nach einer Bauchspiegelung Foto: Mauritus

Menschen mit Uterus fällt es oft schwer, jemanden zu finden, der sie sterilisiert, wenn sie unter 35 Jahre alt sind. Viele Me­di­zi­ne­r:in­nen stimmen der Sterilisation erst ab diesem Alter zu. Zu groß scheint die Angst davor, dass der Eingriff bereut wird und später noch ein Kinderwunsch aufkommt. Wie geht es Menschen mit Uterus, die sich sterilisieren ließen?

„Dann ich mich das erste Mal beim Sex richtig gehen lassen“

Ich wollte noch nie Kinder und ich werde auch nie welche wollen. Ich habe mich nie in dieser Mutterrolle gesehen, deswegen hatte ich beim Sex unglaubliche Angst vor einer Schwangerschaft. Ich hatte Angst, dass der Ring nicht wirkt oder das Kondom reißt – ich war nie 100 Prozent entspannt beim Sex. Anfang 20 war ich mal schwanger und hatte eine Fehlgeburt. Ich war eigentlich erleichtert, dass das passiert ist. Ich hätte sowieso abgetrieben, aber damit wurde mir die Entscheidung abgenommen.

Dann, mit Anfang 20, hatte ich das erste Mal den Gedanken gehabt, mich sterilisieren zu lassen. Ich war realistisch – ich wusste, dass das kein Arzt bei einer Frau in diesem Alter machen wird. Also habe ich gewartet, bis ich 33 war. Das war letztes Jahr. Ich hatte ein Vorgespräch mit meiner Frauenärztin, die sehr aufgeschlossen war. Sie führt aber keine OPs durch. Also hat sie mich an eine Kollegin verwiesen. Bei der hatte ich das Gefühl, dass sie mich nicht ernstnimmt aufgrund meines Alters.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die Ärztin fragte mich: „Was ist, wenn Sie in zehn Jahren mal Kinder haben wollen?“ Ich bin da ziemlich pragmatisch: Es gibt genug Kinder auf der Welt, man kann sich eine Pflegefamilie gründen oder man adoptiert. Das sagte ich ihr auch so. Sie hatte aber auch Angst, dass ich sie wegen Körperverletzung anzeige. Vor der Operation habe ich deshalb eine Absicherung unterschrieben. Ich finde es richtig und wichtig, dass man ein Gespräch vor der Sterilisation führt. Aber die Ärztin wollte mich wegen meines Alters abwimmeln. Ohne mit mir zu sprechen.

Ich wünsche mir, ernstgenommen zu werden. Der Ärztin erklärte ich, dass die Sterilisation eine bewusste Entscheidung ist bei mir. Letztlich meinte sie: Sie sterilisiert Frauen eigentlich erst ab 35 Jahren, macht bei mir aber eine Ausnahme. Im Herbst letzten Jahres wurde ich dann operiert. Ich habe eine Laproskopie machen lassen, also eine Bauchspiegelung. Dabei stand ich unter Narkose, danach war ich zwei Wochen ausgeknockt.

Während der Bauchspiegelung wurde festgestellt, dass ich Endometriose habe, was unter anderem für meine starken Menstruationsschmerzen verantwortlich ist. Das wird immer zufällig per Bauchspiegelung entdeckt und kann irgendwann die Organe dauerhaft schädigen. Die Sterilisation hätte also vielleicht sowieso gemacht werden müssen. So wurde es mir entfernt und ich habe 150 Euro statt 600 Euro für die Sterilisation gezahlt. Die Ärztin kam dann nochmal zu mir und hat sich bei mir dafür entschuldigt, wie sie mich behandelte. Das fand ich nett.

Ich bin froh darüber, dass ich mich habe sterilisieren lassen. Mit 33 konnte ich mich das erste Mal beim Sex so richtig gehen lassen. Ein großer Vorteil ist auch, dass meine Regelschmerzen nicht mehr so stark sind. Manchmal gab es Tage, da konnte ich nicht aufstehen und habe Ibuprofen geschluckt wie Smarties.

In meinem Freundeskreis wird darüber offen gesprochen. Ich habe einen guten Freund, der sich vasektomieren ließ. Auch meine Freun­d:in­nen stehen dem positiv und offen gegenüber. Meine beste Freundin, die mich zur Operation begleitete, war etwas neidisch, sie will das auch machen lassen, ist aber erst 30. Generell ist mein soziales Umfeld mit dem Thema Sterilisation sehr entspannt.

In meiner Familie wissen das nur mein Vater und mein Cousin. Mein Vater hat nicht überrascht reagiert, der hat sich das schon gedacht. Bei der restlichen Familie möchte ich nicht, dass sie einen Herzinfarkt bekommt. Sie würde das als zu radikalen Schritt empfinden. Aber sie wissen auch nicht, dass ich nie Mutter werden wollte und Panik vor Schwangerschaften hatte.

Isabell A., 34 Jahre, lebt in Bremen und ist studierte und zertifizierte Hundephysiotherapeutin

Protokoll: Nicole Opitz

„Mir war ganz klar, dass ich kein Kind mehr möchte“

„Als ich 16 war, bekam ich die Diagnose, dass ich eine hochgradige Wirbelsäulenverkrümmung habe. Ich würde einige Einschränkungen haben im Leben, meinte der Arzt. Unter anderem würde eine Schwangerschaft für mich sehr viel belastender sein als für andere. Da habe ich mir logischerweise mit 16 noch gar keine Gedanken gemacht.

Dann bin ich älter geworden, die ersten Freunde kamen, Pille genommen. Mit Mitte 20 habe ich geheiratet und die Pille abgesetzt, wir hatten einen Kinderwunsch. Das erste Kind kam. Die Schwangerschaft war kein Zuckerschlecken, die Geburt war auch nicht einfach. 1996 war das. Mein Kinderwunsch war jedenfalls erfüllt und ich habe wieder die Pille genommen. Aber nach 4, 5 Jahren war ich einfach pillenmüde. Ich hatte keine Lust mehr, mich mit den Hormonen vollzustopfen. Ich habe mir dann vom Arzt so eine Hormonspirale einsetzen lassen. Das Einsetzen war aber schon problematisch und der Arzt meinte, das Rausnehmen machen wir dann unter Betäubung.

Da war ich Anfang 30. Das Kind war sehr mamabezogen. Kein Wunder, die Unterstützung durch den Mann war quasi nicht vorhanden. Es war schön, aber auch anstrengend. Ich konnte zwischendurch nicht arbeiten, das war ja damals noch nicht so mit Kinderbetreuung. Der Termin rückte dann jedenfalls näher, an dem die Spirale rausgenommen werden sollte. Mit meinem Rücken wurde es nicht besser und mit der Ehe auch nicht. Mir war ganz klar, dass ich kein Kind mehr möchte.

Und dann dachte ich, wenn ich eh betäubt werde, dann kann ich mich doch eigentlich gleich sterilisieren lassen. So habe ich das dem Arzt gesagt. „Kein Problem, das machen wir“, hat er gesagt. Ich war Anfang 30, hatte nur ein Kind. Ich hatte mir Sätze zurechtgelegt, wie ich ihm meine Entscheidung begründe. „Sie wissen doch, mein Rücken…“, fing ich dann an. Aber der Arzt sagte nur: „Das interessiert mich gar nicht. Wenn Sie das wollen, machen wir das.“ So einfach könnte es immer laufen im Leben. Die Krankenkasse hat das damals auch noch bezahlt. Ich kam also in die Tagesklinik. Und es war passiert, ich war sterilisiert. Und hab das nie bereut. Ich habe mich sterilisieren lassen, so wie andere sich eine Spirale einsetzen lassen. Das war kein großes Ding. Dass der Arzt damit so unkompliziert umging, hatte einen großen Anteil daran.

Freundinnen waren es, die schon mal sagten: „Oah, du bist doch noch so jung, und wenn du dich noch mal verliebst…“. Ich habe mich dann tatsächlich mit 46 noch einmal in einen 11 Jahre jüngeren Mann verliebt. Da war das aber nie ein Problem. Wir hatten beide schon ein Kind, es war gut so. Mir musste dann mit 47 die Gebärmutter rausgenommen werden, das war ein ganz anderer Eingriff, da hatte ich schon zu knabbern.

Wann ich es meiner Tochter gesagt habe, daran kann ich mich gar nicht mehr genau erinnern. Das wird in der Pubertät gewesen sein. Sie war es auch, die mich jetzt ermutigt hat, meine Sterilisationsgeschichte zu erzählen. Meine Tochter beschäftigt sich ganz viel mit dem Thema. Sie ist Mitte 20 und möchte sich auch gern sterilisieren lassen. Aber sie hat es viel schwerer: Kein Kind, noch jünger. Und die Krankenkasse zahlt den Eingriff auch nicht mehr. Die Ärzte tun sich sehr schwer damit bei ihr. Ich nicht, nein. Wenn sie das so möchte, kann ich mich nicht einmischen.“

Anke Spill ist 52 und wohnt in Nordhessen. Vor über 20 Jahren hat sie sich sterilisieren lassen.

Protokoll: Manu Heim

Ich möchte selbst über meinen Körper bestimmen“

Der Wunsch zur Sterilisation ist mir erst vor relativ kurzer Zeit gekommen. Ich wusste vorher einfach nicht, dass das überhaupt eine Option für mich ist. Dass ich keine Kinder bekommen möchte, weiß ich schon lange. Ich habe nichts gegen Kinder, auch nicht dagegen, eine Familie zu gründen. Mein Partner und ich haben schon öfter über das Thema Adoption geredet und das ist auch eine Option. Es geht mir aber auch gar nicht um Verhütung. Ich kann mir nur nicht vorstellen, Kinder zu gebären.

Weil ich mich als nicht-binäre Transperson identifiziere, muss ich immer mit Diskriminierung rechnen. Deshalb habe ich mich auch nie über Möglichkeiten beraten lassen. Ich hatte tatsächlich auch mal über eine Gebärmutterentfernung nachgedacht. Das war mir aber irgendwie zu krass. Ich habe gedacht, das sei die einzige Möglichkeit, die es für mich gibt.

Als ich dann eine Videoreportage über Sterilisation gesehen habe, habe ich gedacht: Das will ich. Ich war unglaublich glücklich, dass es die Möglichkeit gibt und es Menschen gibt, die darüber reden. In der Doku habe ich gesehen, dass Menschen wirklich Probleme haben, dass ihr Wunsch anerkannt wird, deshalb bin ich nicht einfach zu ei­ne*r Gy­nä­ko­lo­g*in gerannt, sondern habe den Verein Selbstbestimmt steril direkt angeschrieben und die haben mir eine Adresse in meiner Nähe gegeben.

Ich habe dann der Ärztin eine Mail geschrieben, weil ich total nervös war und Angst hatte, mich am Telefon nicht richtig ausdrücken zu können. Dass ich wegen eines Traumas eine Folgestörung habe, habe ich weggelassen. Ich hatte einfach Angst vor einer ableistischen, stigmatisierenden Reaktion und dass mir der Eingriff deshalb verwehrt wird. Mir ist bewusst, dass das ein heikles Thema ist, aber viele Leute nehmen sich deshalb heraus, über jemand anderen zu entscheiden. Und ich kann und möchte selbst über meinen Körper bestimmen.

Die Ärztin hat mir schließlich gesagt, dass ich wegen meiner Gründe nicht warten muss, bis ich 25 bin. Ich habe mich in der Praxis total gut aufgehoben gefühlt und wurde gut aufgeklärt. Das war total schön, weil ich das erste Mal so einen Schritt gewagt habe und direkt so eine positive Erfahrung mit ei­ne:r Be­hand­le­r:in gemacht habe.

Die Operation ist problemlos verlaufen und heute geht es mir total gut damit. Ich habe meine Entscheidung keine Minute lang bereut. Ich habe auch tatsächlich danach noch viele positive Erfahrungen machen dürfen. Zum Beispiel mein Hausarzt, dem ich das erzählen musste, als ich zum Fäden ziehen da war, hat total positiv reagiert und mein Bruder auch. Ich habe auch gemerkt, dass sich mein Körperbild unglaublich verändert hat. Wenn ich jetzt in den Spiegel gucke, kann ich sagen: Boa, gefällt mir. Und das hat nichts mit dem Aussehen zu tun, sondern mit den biologischen Eigenschaften, die ich hatte. Ich weiß jetzt, mein Körper kann nur das, womit ich mich auch identifizieren kann.

Lu ist 24 Jahre alt und heißt eigentlich anders. Lu wurde im vergangenen September sterilisiert.

Protokoll: Marthe Ruddat

Mir wurde abgesprochen zu wissen, was gut für mich ist“

Mein Mann und ich sind im Umweltschutz aktiv und vertreten die Einstellung, dass es angesichts der begrenzten Ressourcen auf dieser Erde bereits zu viele Menschen gibt. Wir sind dankbar für unser erstes Kind und unser weiterer Weg ist, bereit zu sein, wenn ein zweites Kind uns als Pflege- oder Adoptionsfamilie aussucht. Ich hatte außerdem eine Periode, die von starken Schmerzen und Blutungen begleitet wurde. Deshalb und wegen ständig auftretender Zysten, die auch drei Mal operativ entfernt werden mussten, habe ich viele Jahre auf Rat die Pille durchgenommen. Die Hormone hatten ebenfalls ihre Nebenwirkungen.

Ein Jahr nach der Geburt unseres Kindes und dieser Zeit ohne Pille habe ich meine Frauenärztin gefragt, was ich tun kann. Dass meine Periode für mich so schlimm ist, hat sie mir total abgesprochen. Trotz der Anzeichen sagte sie, das sei normal und daran müsste ich mich wie jede Frau gewöhnen. Sie hat mir von einer Endometriumablation, also Abtragung der Gebärmutterschleimhaut, erzählt, sagte aber, das würde für mich nicht in Frage kommen. Ich habe mich dann über die Methode informiert und viele Geschichten gelesen und mich in diesen Geschichten wieder gefunden. Ab dem Zeitpunkt stand fest, dass ich mich auch sterilisieren lassen möchte.

Damit die Endometriumablation von der Krankenkasse bezahlt wird, brauchte ich eine Einweisung ins Krankenhaus. Ich bin deshalb wieder zu meiner Frauenärztin. Sie hat gesagt, das wäre unverantwortlich und sie würde das ungeborene Leben befürworten, wohlgemerkt war ich gar nicht schwanger. Sie sagte auch, der Mann könnte ja sterilisiert werden. Aber ich möchte unabhängig sein und kein Kind mehr bekommen, egal was passiert. Das Gespräch war dann relativ schnell beendet. Das war ein Tiefpunkt auf meinem Weg zur Sterilisation. Ich wurde nur gesehen als jemand, der noch ein Kind kriegen soll. Mir wurde abgesprochen, dass ich weiß, was gut für mich ist.

Ich habe dann zehn Praxen in der Umgebung angeschrieben und klar geäußert, was ich möchte. Ein Arzt hat mir sofort einen Termin gegeben. Er hat mich dann eine Stunde über Pillen und andere Möglichkeiten aufgeklärt, bis er gemerkt hat, dass ich weiß, was ich will und auch weiß, was die Entscheidung bedeutet. Er hat mir dann die Einweisung gegeben.

In Schleswig-Holstein habe ich dann eine Klinik mit einer Ärztin gefunden, die meinen Wunsch vollkommen legitim fand. Sie hat mir zugehört und Fragen gestellt und meine Entscheidung und mich als Frau einfach respektiert. Eine Woche später wurde ich operiert. Nach der Operation hat die Ärztin gesagt, es war gut, dass ich auf mein Gefühl gehört habe. Sie hatte einen Eierstock entfernen müssen und die Untersuchung im Labor hat gezeigt, dass der sich in den nächsten Jahren hätte bösartig verändern können. Es ist auch herausgekommen, dass ich zu den vielen Frauen mit Endometriose gehöre. Für mich ist es im Nachhinein ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich mir diese Schmerzen nicht eingebildet habe.

Die Operation ist fast ein Jahr her und es ist ein ganz neues Lebensgefühl. Es hat auch der Beziehung zu meinem Mann gut getan, es gibt nicht immer diese Überlegung: Was ist, wenn ich schwanger werde? Das bringt eine Nähe, die wir anders genießen können. Manche fragen mich auch, ob ich mich noch vollkommen fühle und ich muss sagen, jetzt erst recht. Ich bin viel zufriedener und kann meinen Körper lieben lernen. Über meine Geschichte berichte ich auf Instagram.

Sonja Borowski ist 28 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Mann und Kind in Schleswig-Holstein und wurde im April 2020 sterilisiert.

Protokoll: Marthe Ruddat

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.