: Senat erteilt Hausarrest
Weniger Menschen suchen in Hamburg Schutz, und darum geht die Zahl der Abschiebungen weiter zurück. Außerdem setzt der Senat noch immer auf eine rechtlich umstrittene Maßnahme
Von Marco Carini
Mit der Zahl der neu in Hamburg eintreffenden Geflüchteten ist auch die Zahl der Abschiebungen weiter zurückgegangen. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres wurden 324 Menschen in ihre Heimatländer abgeschoben und 120 in sogenannte Drittländer überführt. Bei diesen Drittländern handelt es sich meist um jene europäischen Länder, in denen die Schutzsuchenden zuerst registriert worden sind und wo darum nach dem Dublin-III-Abkommen ihr Asylverfahren stattfinden muss. Das geht aus einer aktuellen Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten der Linken, Christiane Schneider, hervor.
Demnach gab es bis Oktober im Monatsdurchschnitt 44,4 sogenannte Rückführungen, 32,4 davon in das jeweilige Heimatland und zwölf in einen Drittstaat. 2017 wurden noch deutlich mehr Menschen aus Hamburg abgeschoben, nämlich im Schnitt noch 51 Menschen pro Monat: 35 in die Heimatländer, 16 in Drittstaaten.
Dass die derzeitigen Abschiebezahlen nicht noch größer sind, liegt auch daran, dass mehr „Rückführungen“ scheiterten als durchgeführt werden konnten. Im laufenden Jahr stehen der Gesamtzahl von 444 erfolgten Abschiebungen 536 gescheiterte -Versuche gegenüber. Der Hauptgrund: In 342 Fällen wurden die abzuschiebenden Menschen nicht in ihren Unterkünften angetroffen. In weiteren 78 Fällen waren Familien, die nur gemeinsam abgeschoben werden können, nicht vollständig anwesend.
Die Ausländerbehörde ist gehalten, die geplanten Abschiebungen quasi vorher anzukündigen, indem sie den Betroffenen eine Verfügung zukommen lässt, in der steht, sie mögen die Einrichtung, in der sie untergebracht sind, des nächtens zwischen 22 und 6 Uhr nicht verlassen. Diese Art von Hausarrest wird manchmal nur für eine Nacht, manchmal aber auch für drei Monate verfügt.
Da sich, wie der Senat in der Antwort auf die Linken-Anfrage schreibt, „die Auflage am voraussichtlichen Rückführungstermin orientiert“, sind die Ausreisepflichtigen vorgewarnt und bleiben im entsprechenden Zeitraum der Einrichtung eher fern. Das wiederum ist ein Grund, die nicht angetroffenen Schutzsuchenden in Abschiebehaft nehmen zu können.
Christiane Schneider fragte auch nach, warum an den Hausarrest-Bescheiden festgehalten werde, obwohl das Oberverwaltungsgericht Lüneburg diese Praxis bereits als rechtswidrig eingestuft hat, da es für diesen verordneten Freiheitsentzug keine Gesetzesgrundlage gebe.
Der Senat verweist in seiner Antwort darauf, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Hamburg zu den Aufenthaltsverfügungen „nicht einheitlich“ sei. Anders als in Niedersachsen stehe eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg, die die Stadt anstrebe, aber derzeit noch aus.
Auf die Fragen, wie viele nächtliche Abschiebungen es in Hamburg gab und wie viele Bescheide, die Einrichtung nicht zu verlassen, den Geflüchteten zugestellt wurden, hat der Senat keine Auskunft erteilt. Diese Daten würden statistisch „nicht erfasst“, lautet die Begründung. „Von Antwort kann man nicht sprechen“, ärgert sich Schneider über die vielen fehlenden Informationen in der Reaktion auf ihre Anfrage.
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