: Für Tschechiens Premier wird die Luft dünner
Der Sohn von Andrej Babiš wurde entführt. Hintergrund: ein Skandal um unterschlagene EU-Gelder
Aus Prag Alexandra Mostyn
Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš ist unter Beschuss. Die Investigativreporter Sabina Slonková und Jiří Kubík vom Webportal seznam.cz haben den als verschwunden gegoltenen Sohn des Regierungschefs, Andrej Babiš Junior in Genf ausfindig gemacht. Er sei von Mitarbeitern seines Vaters auf die Krim entführt und dort festgehalten worden, erklärte Babiš Junior den erstaunten Reportern.
Seitdem die tschechische Polizei 2016 wegen Verdachts auf Subventionsbetrug in Sachen „Storchennest“ gegen Andrej Babiš ermittelt, würde sie sich auch gerne mit seinem erstgeborenen Sohn aus erster Ehe, Andrej Junior, unterhalten. Der wird verdächtigt, seinem Vater in diesem möglichen Subventionsbetrug als Strohmann gedient zu haben.
Das „Storchennest“ ist Babiš’ Luxusanwesen im südlichen Prager Speckgürtel, das der Milliardär sich vor Jahren mit Hilfe von rund zwei Millionen Euro an EU-Fördergeldern errichten ließ. Um an diese Gelder für kleine und mittelständische Unternehmen zu gelangen, so der Vorwurf, übertrug Babiš das Storchennest aus dem Portofolio seiner Agrofert-Holding pro forma auf seine beiden Kinder aus erster Ehe sowie seine zweite Ehefrau.
Ja, er habe technisch etwas mit dem Storchennest gemeinsam, gab Andrej Junior zu, als Slonková und Kubík ihn in Genf überraschten, wo er seit knapp einem Jahr bei seiner Mutter Beatrice lebt. Wenn er spricht, dann mit schwerer Zunge, wie es für gewöhnlich höhere Dosen Psychopharmaka bewirken.
Seit Beginn der Ermittlungen gilt der 35-Jährige, der bis 2015 als Pilot einer kommerziellen Airline eine Boeing 737 flog, als psychisch krank und nicht vernehmungsfähig. „Die letzten zwei Jahre waren verrückt für mich“, sagt Andrej Junior. Wegen des Storchennests, so Babiš Junior, sei er auf die Krim entführt worden: „Die haben ausgenutzt, dass mein Vater mich loswerden wollte.“
Die, das ist das tschecho-russische Ehepaar Dita und Petr Protopopov. Sie arbeitet als Psychiaterin in einer geschlossenen Anstalt, hat Andrej Babiš in seiner Zeit als Finanzminister beraten und die psychische Krankheit von Andrej Junior attestiert, die ihn vernehmungsunfähig macht.
Sie habe ihn vor die Wahl gestellt, sagt Andrej Junior: Entweder man sperre ihn in dem psychiatrischen Institut ein, in dem sie arbeite. Oder er gehe in Urlaub. Angst, so Andrej Junior habe er gehabt. Der Hilferuf, den er von der Krim aus im Frühjahr der tschechischen Polizei schickte, wurde ad acta gelegt.
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