Merz zweifelt am Asylrecht

Bei einer Regionalkonferenz der CDU stellt Merkels potenzieller Nachfolger Artikel 16a des Grundgesetzes in Frage. Nach heftiger Kritik rudert er auf Twitter zurück

Auch ganz schön „recht“slastig: die drei KandidatInnen für den CDU-Vorsitz Merz, Spahn und AKK Foto: Jens Meyer/ap

Von Dinah Riese

Die Bewerber*innen um den CDU-Vorsitz sind sich offenbar einig: Um Stimmen kämpft man am besten mit rechtem Populismus. Sei es Jens Spahn, der den UN-Migrationspakt noch mal durchdiskutieren will, Annegret Kramp-Karrenbauer, die den Doppelpass in Frage stellt – oder Friedrich Merz, der sagt, man müsse über das Fortbestehen des Grundrechts auf Asyl „offen diskutieren“.

Kramp-Karrenbauer, Spahn und Merz stellen sich derzeit auf Regionalkonferenzen der Parteibasis. Am Mittwochabend taten sie das im thüringischen Seebach. Merz hatte dabei erklärt, Deutschland sei das „einzige Land der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in der Verfassung stehen“ habe. Er sei schon lange der Meinung, „dass wir bereit sein müssten, über dieses Asylgrundrecht offen zu reden, ob es in dieser Form fortbestehen kann, wenn wir ernsthaft eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik wollen“.

Zudem müsse Deutschland klarstellen, dass durch den UN-Migrationspakt keine neuen Asylgründe geschaffen würden, etwa Flucht vor dem Klimawandel.

Zuerst hatte Spahn sich die Stimmungsmache der AfD gegen das UN-Dokument zunutze gemacht, um sich von seinen Mitbewerber*innen abzuheben. Von der Regierung hatte er dafür deutlichen Gegenwind bekommen. Kramp-Karrenbauer wiederum hatte vor knapp einer Woche angekündigt, im Fall ihrer Wahl die Regeln für die doppelte Staatsbürgerschaft überprüfen zu wollen.

Die drei Kandidat*innen führen damit fort, was sich schon lange beobachten lässt: Die AfD treibt die Union vor sich her, vor allem die CSU – und die wiederum macht Druck auf die CDU. Unvergessen ist der Streit zwischen den beiden Schwesterparteien, der die Union in zwei Lager geteilt hat: pro und contra „Merkels Flüchtlingspolitik“.

Dabei nützt diese Auseinandersetzung am Ende wohl eher der AfD, als enttäuschte Unionswähler*innen von dort zurückzuholen. Verschiedene Umfragen haben aufgezeigt, dass Zuwanderung für die Mehrheit der Menschen keineswegs das wichtigste Thema ist. Soziale Themen wie die Rentenpolitik werden aber oft vom Streit über die Migrations- und Asylpolitik überlagert.

Der CDU-Kandidat wandte sich auch gegen den Klimawandel als Fluchtgrund

Merz’jüngste Äußerungen blieben vom Regierungspartner nicht unwidersprochen. „Unser Grundrecht auf Asyl ist eine historische Errungenschaft. Daran gibt es nichts zu rütteln“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) der Rheinischen Post. „Rechtspopulisten hinterherzulaufen“ führe nur zu einer weiteren Spaltung. Auch aus den eigenen Reihen kam Kritik: Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), mahnte mit Blick auf die deutsche Geschichte, „das Grundrecht auf Asyl nicht in Frage zu stellen“.

Auch die Opposition wies Merz’Äußerungen vehement zurück. Der Grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz erklärte auf Twitter, das Grundrecht auf Asyl sei eine „Lehre des Grundgesetzes aus den schrecklichen Erfahrungen von Jüdinnen und Juden, die aus Nazi-Deutschland zu fliehen suchten“ und aus der Fluchterfahrung von Millionen Deutschen. Jan Korte, parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, erklärte, damit, das Asylrecht „noch weiter schleifen zu wollen“, trete man für den Parteivorsitz bei der AfD an, „aber nicht bei einer Partei aus dem demokratischen Spektrum“.

Merz selber ruderte am frühen Nachmittag zurück. Er stelle das Grundrecht auf Asyl selbstverständlich nicht in Frage, schrieb er auf Twitter, „weil wir Politik aus christlicher Verantwortung und vor dem Hintergrund der Geschichte machen“. Man müsse sich aber – „in aller Ruhe und Sachlichkeit“ – damit beschäftigen, wie dieses Grundrecht und ein europäischer Lösungsansatz gemeinsam wirken könnten.