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Eine philosophische Pilgerfahrt

Christoph Rüter über seine Dokumentation „Hans Blumenberg – Der unsichtbare Philosoph“. Sie handelt von einem Denker, der sich den visuellen Medien verweigerte und jetzt Gegenstand eines Road-Movies wurde

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Rüter, gibt es überhaupt etwas für den Film ungeeigneteres als die Philosophie?

Christoph Rüter: Wann gab es den letzten Philosophen-Film im Kino? Ich habe aus Spaß mal gegoogelt und nichts gefunden.

Warum dann trotzdem dieser Film?

Ich hatte das Glück, Blumenberg für ein Semester in Münster zu hören. Und ich habe bewundert, wie er auf seiner philosophischen Bühne Grundsatzfragen der Menschheit untersucht und analysiert hat und wie er gleichzeitig das Publikum unterhielt: Der Mann war nicht nur geistreich, sondern auch sehr witzig. Das hat sich eingebrannt.

Aber war Ihr Problem nicht, dass es zwar Mitschnitte von seinen Vorlesungen gibt, aber so gut wie kein Bildmaterial, weil er sich den visuellen Medien konsequent verweigerte?

Natürlich war es Wahnsinn, dass ich mich an jemandem, von dem es gerade mal zwei offizielle Fotos gab und der nie Interviews gab, versuchen wollte. Es war die Herausforderung meines Lebens, den Unsichtbaren sichtbar zu machen.

Sie haben dann drei Jünger Blumenbergs, seine ehemaligen Studenten Burkhard Lütke Schwienhorst und Klaus Schölzel, sowie den Blumenberg-Forscher Rüdiger Zill in einem Bus auf eine Spurensuche nach dem Philosophen geschickt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Lütke Schwienhorst und Schölzel sind alte Studienfreunde von mir und die machen inzwischen was ganz anderes: Der eine fährt Taxi und der andere hat eine Werbefirma. Die haben ihren Blumenberg trotzdem nie aus den Augen verloren und lesen ihn immer noch. Dadurch waren sie prädestiniert für eine Reise zu den Wurzeln des Philosophen und ihrer eigenen Geschichte: fremd und gleichzeitig nah. Aber wir brauchten trotzdem eine In­stanz, die sich mit Blumenberg aktuell wirklich auskennt, damit wir uns nicht total vergaloppieren und lächerlich machen. Jemand, der sattelfest ist und eine Diskussion wieder in die richtige Bahn zurückführen kann. Und Rüdiger Zill war dann diese Person.

Aber geht es nicht vor allem darum, dass Sie mit der Reise etwas haben, was Sie zeigen und erzählen können?

Ich nenne den Film ja ein „Philosophisches Roadmovie“. Wenn man so einen Film macht, kann man nicht einfach Talking Heads vor Bücherwände setzen. Wir brauchten Bilder. Es war auch klar, dass die drei eine Reise von Blumenbergs Geburtsort Lübeck über Münster, Marbach und München bis nach Zürich machen würden. Wir mussten also on the Road und dann war es nicht mehr weit bis zu dem Punkt, dass wir Gespräche während der Autofahrt führen. Da vergeht die Zeit, die Landschaft fliegt vorbei und man unterhält sich über existenzielle Lebensfragen, über Tod und Teufel und hat immer his Masters Voice an Bord, da ich über 60 Vorlesungen als Audio-Mitschnitt gefunden habe. Und all das bekam dann durch diese Fahrt ein doppeltes Movens. Die doppelte Bewegung animierte alle und der Film hat dadurch auch einen eigenen Rhythmus.

Sie machen es den Zuschauern nicht einfach. Es erfordert einiges an Vorwissen, um den zum Teil sehr abstrakten Ausführungen in den Gesprächen folgen zu können. Hätten Sie Blumenbergs Philosophie nicht etwas zugänglicher vorstellen können?

Wie soll das gehen, ohne dass man ihn vergewaltigt? Man kann ihn nicht herunterbrechen auf den Status eines philosophischen Ratgebers. Da muss man dann schon gedanklich ein bisschen mitarbeiten. Ich konnte es nicht leichter machen. Aber ich habe mich auch nicht angestrengt, es den Zuschauern besonders schwer zu machen.

Die meisten von Ihren Protagonisten haben ja ein Prof. oder mindestens ein Dr. vor ihrem Namen. Gilt das nicht auch für Ihr Zielpublikum?

Christoph Rüter, 57, macht seit 30 Jahren Doku-mentarfilme und Künstlerporträts.

Wir haben mal ausgerechnet, dass wir von 500.000 möglichen deutschsprachigen Interessenten ausgehen können. Das sind Akademiker, Studenten und Leute, die gerne lesen, denn Blumenberg war ja auch ein großartiger Autor. Wenn davon die Hälfte ins Kino geht, wäre der Film ein Erfolg.

Es gibt einen Stilbruch in Ihrem Film. Wenn Sie von Blumenbergs Jugend in Lübeck erzählen, zeigen Sie Archivmaterial aus dem Jahre 1942 von dem ersten Bombenangriff auf die Stadt und dazu spielen Sie die berühmte BBC-Rede Thomas Manns zu diesem Anlass ein. Warum wechseln Sie dieses eine Mal Ihre Erzählform ?

Blumenberg hat ja die Bombardierung von Lübeck direkt miterlebt. Er muss wohl mitten in der Stadt gestanden haben, es gibt aber leider nur wenige Auskünfte darüber von ihm. Außer in einem Brief, bei dem er einen ähnlichen Ton anschlägt wie Thomas Mann und sinngemäß sagt, das Verstummen der Lübecker Kirchenorgeln musste man angesichts der Naziherrschaft in Kauf nehmen. Sein Brief ist aber nur Eingeweihten bekannt und seine Beziehung zu Thomas Mann war mir wichtig. Sie waren zwei Brüder im Geiste.

Warum glauben Sie, dass es jetzt an der Zeit ist, Blumenberg wieder zu entdecken ?

Ich habe ja keinen historischen Film gemacht. Blumenberg ist aktuell. Ich musste da nichts hinzufügen, was Zeitgeist heißt. Ich musste keine Flüchtlinge zeigen, wenn wir über ein Buch wie „Schiffbruch mit Zuschauer“ redeten. Seine Bücher berühren alle philosophischen Fragen, die immer wieder neu gestellt werden müssen und beim Sehen des Films leistet der Zuschauer die Arbeit, die ihn dann mit seiner Lebenswelt konfrontiert. Deshalb habe ich den Film nicht mit etwas überfrachtet, was Aktualität heißt.

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