: „Ständige Kontrollen sind schlicht nicht möglich“
Statt auf gesetzliche Vorgaben für Textilfirmen und ihre Zulieferer setzt Hilke Patzwall vom Hersteller Vaude auf freiwillige Vereinbarungen
Hilke Patzwall ist beim Outdoor-Hersteller Vaude für Umweltmanagement verantwortlich.
Interview Leon Kirschgens
taz: Frau Patzwall, die französische Regierung hat kürzlich ein Lieferkettengesetz eingeführt. Viele Menschenrechtler loben diesen Schritt. Was sind die Vorteile einer solchen Regelung?
Hilke Patzwall: Der Vorteil eines Lieferkettengesetzes ist, dass es alle Unternehmen zu mehr Sorgfalt verpflichten und mehr Gerechtigkeit auf dem Markt erzeugen kann, weil dann alle denselben Standards unterliegen. Wenn es in Deutschland gut umgesetzt würde, könnte es vor allem kleineren Textilunternehmen helfen, die eigenen Ansprüche gegenüber Subunternehmen wie Lieferanten und Produktionsbetrieben im Ausland durchzusetzen. Bisher ist es oft schwierig, mit den Produkten anderer Unternehmen zu konkurrieren, die sich gar nicht oder wenig um Nachhaltigkeit und Fairness kümmern. Allerdings denke ich, dass es einen besseren Weg als ein Gesetz gibt, um für mehr Gerechtigkeit in der Textilbranche zu sorgen. Denn ein Gesetz birgt viele Probleme in der Umsetzung.
Welche sind das?
In der Theorie scheint ein Lieferkettengesetz schlüssig, doch in der Praxis ist es kaum umsetzbar. Denn zur Lieferkette gehören unter anderem auch ausländische Fabriken und der Transportweg. Wie soll die Bundesregierung alle Beteiligten in der Lieferkette überprüfen? Dazu bräuchte es ständige Kontrollen im Ausland, die schlichtweg nicht möglich sind, weil es immense Kosten verursachen würde und der Aufwand nicht zu stemmen wäre. Ein Gesetz reicht deshalb nicht, um den Zustand in der Textilindustrie nachhaltig zu verändern.
Wie sieht die Alternative zum Lieferkettengesetz aus?
Besser als ein Gesetz wäre es, wenn sich möglichst viele Modeunternehmen, Nichtregierungsorganisationen und die Bundesregierung an einen Tisch setzen und freiwillige Nachhaltigkeitskriterien erarbeiten. Dazu braucht es Kampagnen, Initiativen und Bündnisse, die von der Bundesregierung gefördert werden und Unternehmen dazu bewegen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Das geschieht bereits beim Textilbündnis oder der Fair Wair Foundation, wo immer mehr Unternehmen mitmachen. Je mehr Unternehmen sich freiwillig höheren Standards verschreiben, desto größer wird der Druck auf andere Modemarken, ebenfalls nachzuziehen, um dem eigenen Ruf nicht zu schädigen.
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