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Wieder ein großes B an der Spree

Der 92:88-Sieg von Alba im Klassiker gegen Bamberg sagt einiges über die neuen Kräfteverhältnisse im deutschen Basketball

Aus Berlin David Joram

Johannes Thiemann wirkte sehr entspannt. Aus einer Höhe von 2,05 Metern ließ der Berliner Basketballer seine Blicke gemütlich schweifen, eher nebenbei beantwortete er die Fragen zum soeben beendeten Liga-Klassiker gegen Brose Bamberg. Dass Thiemanns Team, Alba Berlin, dank einer ziemlich prickelnden Schlussphase 92:88 gewonnen hatte, war ihm nicht anzumerken.

Immerhin gab er zu: „Natürlich war das ein Nervenspiel.“ Dass die insgesamt 89. Auflage zwischen Berlinern und Bambergern überhaupt mit dem 55. Alba-Sieg endete, war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Vier Ausfälle beklagten die Berliner. Der Tabellenzweite schüttelte den direkten Verfolger trotzdem ab – was einiges über die neuen Kräfteverhältnisse im deutschen Basketball aussagen dürfte.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen beherrschten im letzten Jahrzehnt ja vor allem die Bamberger die nationale Konkurrenz, Alba – letztmals Deutscher Meister im Jahr 2008 – schien zunehmend den Anschluss zu verlieren. Erst recht, als auch noch die Münchner Bayern beschlossen, ihrer erfolgsverwöhnten Fußballabteilung eine erfolgshungrige Basketballabteilung hinzuzufügen. Aus Respekt vor den Berlinern sprach die Branche zwar von den sogenannten „3 großen B“. Wenn es um die Titelvergabe ging, blieben aber meist nur Bayern und Bamberg übrig. Sie hatten halt mehr Geld. Die Bayern wegen Uli Hoeneß, die Bamberger wegen Michael Stoschek.

Stoschek ist bei Bambergs Namensgeber Brose, einem Automobilzulieferer, Firmenchef. Doch das Kerngeschäft war ihm offenbar zu eintönig. Stoschek wollte mehr erreichen – insbesondere mit Bambergs Basketballern, die er gut alimentierte. Groß waren die Pläne im Frankenland. In Europas stärkster Liga, der Euroleague, sollte sich Brose etablieren, sich dauerhaft mit so gut betuchten Klubs wie Real Madrid, dem FC Barcelona oder Fenerbahçe Istanbul messen. Den Metropolen Europas plante Stoschek die Metropolregion Nürnberg entgegenzusetzen. Öffentlich wurde diskutiert, ob dazu der Name des Klubs geändert werden müsse – Brose Metros statt Brose Bamberg. New Branding, New Deal – sogar eine neue Halle, in der 10.000 Zuschauer Platz finden sollten, stellte Stoschek in Aussicht, rund 55 bis 70 Millionen Euro teuer. Alles schien machbar, angestachelt auch durch die Konkurrenz im noch tieferen Süden. Die Nummer 1? Musste Bamberg bleiben! Der Etat, etwa 18 bis 20 Millionen, ließ gar keinen anderen Schluss zu.

Bamberg hat das Wettrüsten gegen Bayern für beendet erklärt

Übrig geblieben ist von all den schönen Plänen kaum etwas. Nach einer ziemlich missratenen letzten Saison mit dem Aus im Halbfinale der Play-offs gegen Bayern haben sie in Bamberg das Wettrüsten für beendet erklärt. Michael Stoschek hat die Mittel drastisch reduziert und eine neue Unternehmenskultur verordnet. Nach Bamberg sollen keine teuren alten Stars mehr kommen, sondern junge heranreifen. Das Vorbild der Bamberger heißt nun nicht mehr Bayern, sondern Berlin, wo der Jugendstil des alten spanischen Trainers Aíto García Reneses hervorragend ankommt. Gegen Bamberg reüssierten Spieler wie Franz Wagner, 17, Jonas Mattisseck, 18, oder Spielmacher Stefan Peno, 21.

„Sie haben so gespielt, als würden sie solche Situationen schon kennen. Es war alles andere als einfach für sie in so einem großen Spiel gegen Bamberg“, kommentierte Reneses die Leistung der beiden jüngsten. Und Peno, der fast drei Viertel der gesamten Spielzeit auf dem Feld stand, lieferte die meisten Assists. Von der Selbstverständlichkeit wie Albas junge Werfer sich präsentierten, träumen sie auch in Bamberg. „Wir müssen Talent und Erfahrung zusammenbringen“, forderte der vor der Saison neu verpflichtete lettische Trainer Ainars Bagatskis. Immerhin muss er seine Jungs nicht den Topklubs in der Euroleague ausliefern. Zum neuen Bamberger Unterstatement passt, dass der Klub international nur noch für die drittklassige Champions League gemeldet hat. Wenigstens Johannes Thiemann, bis 2016 selbst in Brose-Diensten befand: „Bamberg ist immer noch eines der Topteams in Deutschland.“ Nun allerdings sind sie dabei hinter den Bayern und Berlin.

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