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Frau

Wenige FotografInnen haben Angela Merkel porträtiert. Drei von ihnen erzählen von ihren Begegnungen mit der Kanzlerin

Foto: Anja Weber

Anja Weber ist Fotografin und Videokünstlerin in Berlin, seit einem Jahr unterrichtet sie Fotografie an der Deutschen Universität in Kairo. Regelmäßig arbeitet sie für die taz – wie im August 2017 bei dem großen taz-Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt.

Es war das erste Mal überhaupt, dass ein*e Kanz­ler*in der taz ein Interview gegeben hat. Ich hab mich sehr darüber gefreut, dabei sein zu dürfen. Vor dem Interview durfte ich entscheiden, wo sie sitzt. Die meisten Fotograf*innen hätten vielleicht den Blick ins 140 qm große Büro gewählt, ich wusste aber, dass ich einen Titel fotografieren musste, in dem auch die Headline Platz findet, also habe ich mich entschieden, sie vor die weiße Wand mit dem Emil-Nolde-Bild zu setzen.

Es gibt so viele Bilder von Angela Merkel. Das Gute an der taz ist ja, dass man Dinge ausprobieren kann, im schlimmsten Fall auch mal was verhauen kann. Ich stand nicht so sehr unter Druck, habe mir erst mal alles angeschaut und dann eher Details fotografiert: ihre Hände, wie sie mit dem Stuhl kippelt, ihr Profil, den leeren Garderobenständer, eine kleine Oase aus Gold (Geschenk von König Abdullah von Saudi-Arabien 2007) auf dem Fenstersims, das riesige Schachspiel. Einfache Bilder, Klarheit, irgendwie. Mein persönlicher Blick auf sie wird eben auch durch den Raum definiert, in dem sie sich bewegt. Das ist alles Teil einer Inszenierung von Macht. Ihr Büro ist wirklich riesig und recht unpersönlich, und darin bewegt sie sich zum einen als Person und zum anderen als Kanzlerin. Das Amt macht sie ja quasi zu einer Kunstfigur. Dieses Spannungsfeld wollte ich mir anschauen. Als Person fand ich sie ziemlich witzig und nahbar, anders als die meisten Politiker*innen, die ich bis dahin getroffen hatte.

Was wirklich toll war: der Blick aus ihrem Büro geht genau auf die Wiese, auf der ich jahrelang sonntags Fußball gespielt habe. Für ein queeres Spaßturnier haben wir uns nicht ganz unironisch sogar „Lokomotive Merkel“ genannt. Hab ich ihr gesagt, fand sie wohl skurril. Anja Weber

Das taz-Interview mit Angela Merkel, das Anja Maier und Georg Löwisch im August 2017 geführt haben, lesen Sie auf taz.de/merkel

Foto: Andreas Herzau

Andreas Herzau ist Fotograf und Dozent für Fotografie. Für die Ausstellung und den gerade erschienenen Fotoband „AM“ hat er Angela Merkel über neun Jahre immer wieder begleitet.

Die Aufgabe eines Fotografen ist, das Sujet so zu studieren, dass man eine Beziehung aufbaut und abschätzen kann, was als Nächstes passiert, um rechtzeitig das Foto zu machen. Insofern habe ich Frau Merkel natürlich sehr genau beobachtet und eine andere Person entdeckt, als wir sie medial präsentiert bekommen. Seiten wie Humor und Freundlichkeit, die ansonsten immer ausgeblendet werden. Die Kunst ist, andere Fotos zu machen, als man erwartet. Mir ist es durch Beharrlichkeit und die Länge der Beobachtung gelungen, einen anderen Blick auf Frau Merkel zu ermöglichen.

Ich habe in Situationen fotografiert, wo Politik auf Bevölkerung trifft. Viel beim Wahlkampf, aber auch bei Pressekonferenzen und anderen Gelegenheiten. Mir ging es um diesen besonderen Moment, wenn Politiker, die sonst unnahbar sind, den Kontakt zur Bevölkerung suchen. Mein Ansinnen war, die Person Angela Merkel dabei zu beobachten. Wie sie sich gibt. Diese Motivation entwickelte sich während einiger Auftragsarbeiten, wo ich feststellte, dass da ab und zu eine andere Person hervorlugt, als wir sie immer präsentiert bekommen.

Ich fand es angenehm, dass sie sehr unprätentiös ist. Diese ganzen Machoallüren, die das männlich dominierte Politikfeld hat, die sind nicht ihre Sache. Im Gegensatz zu den Männern macht sie dieses Posing nicht. Sie agiert nicht, um fotografiert zu werden, und hat eine andere Haltung dazu. Das fand ich sehr interessant. Sie ist die erste Bundeskanzlerin und die erste Frau in Europa, die so einflussreich ist, deshalb muss man diese wichtige Frau auch fotografisch wichtig nehmen. Mein Eindruck war, dass man sonst immer nach dem Fehler bei Frau Merkel sucht. Es gibt sehr viele Bilder, auf denen die Mundwinkel nach unten zeigen, sie wird oft sehr miesepetrig dargestellt. Mir ging es darum, ein Äquivalent zu finden zu den Politikbildern, die wir kennen, aber immer nur mit männlichen Protagonisten.

Ihre Souveränität gegenüber diesem ganzen medialen Theater ist in dieser Zeit größer geworden. Sie geht damit wesentlich besser um und hat einen Modus gefunden, damit leben zu können. Sie fand und findet es aber nach wie vor – glaube ich – nicht besonders wichtig, fotografiert zu werden.

Es gibt nicht das eine Bild, das ich besonders mag, aber auf einem älteren sieht man sie im Zug, im Rheingoldexpress, mit dem sie durch Deutschland gefahren ist. Sie sieht aus dem Fenster und man weiß nicht genau – guckt sie sich selber an oder aus dem Fenster heraus? Mein Lieblingsbild ist aber der Hinterkopf. Man sieht nur die Haare, aber erkennt sofort, dass es Frau Merkel ist.

Protokoll: Sophie Spelsberg

Merkel-Porträts von Andreas Herzau sind noch bis 2. Dezember 2018 in der Galerie fhochdrei, Waldemarstraße 17 in Berlin, zu sehen. Der Fotoband dazu: Andreas Herzau: „AM“. 55 Bilder, 96 Seiten, Nimbus-Verlag, 32 Euro

Foto: Ute Mahler

Ute Mahler ist Gründungsmitglied der Fotografenagentur Ostkreuz und war bis 2015 Professorin für Fotografie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Sie porträtierte Angela Merkel unter anderem für Die Zeit.

Ich habe sie mehrmals fotografiert. Die erste Begegnung war für mich am beeindruckendsten. 2000 war das, in der Zeit, als sie dabei war, Vorsitzende der CDU zu werden. Es lag so ein Bruch in der Persönlichkeit, sowohl in der Körpersprache als auch in der Reaktion auf die Fragen. Es war unglaublich faszinierend, weil sie noch so spannend wirkte und nicht glatt.

Ihre Antworten waren sehr klar, sehr direkt, sehr klug. Aber in ihrer Ausstrahlung war sie zurückgenommen, hat sich nicht aufgedrängt. Das hat mich verblüfft. So ein offensichtlicher Kontrast zwischen dem, was sie sagt und denkt, und dem, wie sie diese Rolle äußerlich übernommen hatte. Sie sagte damals bei diesem ersten Interview den Satz „Ich habe gerne den Kopf oben“, das war sogar die Überschrift. Das ist so ein Bekenntnis, die Körpersprache war aber doch noch eine andere. Auch so ein Bruch zwischen dieser Aussage und dem, wie sie da saß.

Man geht ja mit einem Bild im Kopf zu so einem Interview – und dann trifft man die Person und spürt: das gilt alles nicht. Ich fand sie extrem herzlich. Da war keine überlegte Zurückhaltung, sondern sie war spontan, und in Spontaneität zeigt sich oft auch Herzlichkeit, weil es einfach keine kontrollierte Äußerung ist. Ich fand diese erste Begegnung unglaublich sympathisch, und das macht ja auch etwas mit einem Fotografen, wenn man für jemanden Empathie entwickelt, den man noch nie gesehen hat.

Am liebsten mag ich zwei Fotos aus dem ersten Treffen. Das Interview führte damals der Chefredakteur der Zeit. Ich hatte die Aufgabe, sie währenddessen zu fotografieren. Das Schwarz-Weiß-Foto ist aber in einer Pause entstanden, sie gestikuliert und spricht nicht. Ich mag das Bild, weil sie bei sich ist. Neben ihr liegt ihre Armbanduhr, auf der sie kontrollierte, wie lange das Interview schon läuft. Für ein anderes Bild hatte ich darum gebeten, nach dem Interview noch 5 Minuten zu bekommen, um ein direktes Porträt zu machen.

Ich habe sie danach noch zwei- oder dreimal fotografiert und eine starke Veränderung bemerkt. Beim ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass sie mir eine Chance gibt, weil ich fair mit ihr umgegangen bin. Das hat sich dann gelegt. Sie wurde immer professioneller und kontrollierter und es war nichts mehr überraschend. Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass egal ist, wer sie fotografiert, weil sie in der Hand hat, welches Bild sie von sich ­geben will. Was ja auch legitim ist.

Jetzt nochmal ein Porträt zu machen würde mich schon interessieren – aber dann doch mit ein bisschen mehr Zeit als nur 5 Minuten. So 20 wären schon o. k. Einfach um zu sehen, ob man diese Jahre im Gesicht ablesen kann.

Protokoll: Sophie Spelsberg