: Welch herrlich verrücktes, funkelndes Zeug
Die Ausstellung „Bijoux Bijoux! Modeschmuck von Chanel bis Dior“ im Kunstgewerbemuseum zeigt die explosive Farbenpracht falscher Steine und grandios gestaltetes Katzengold
Von Brigitte Werneburg
Der Reiz ist groß, über die Ausstellung „Bijoux Bijoux! Modeschmuck von Chanel bis Dior“ im Kunstgewerbemuseum gar nicht erst viele Worte zu machen. Sprechen die ausgestellten Objekte doch für sich. Wer ernsthaft wissen will, was Fantasie bedeutet, muss in diese Ausstellung gehen. Er oder sie sollten sich im Untergeschoss die Brosche anschauen, die Gianfranco Ferré 1990 für Christian Dior entworfen hat. Sie stellt einen orientalischen Krummdolch dar, und wurde der Knauf noch ganz einfach mit Strasssteinen besetzt, dann erweist sich die ebenfalls aus Kristallsteinen gearbeitete Klinge als ein aberwitziges Über- und Aneinander von Sternen, Mondsicheln, Blütenformen und einer Schleife an der Spitze.
Dass ein solches Schmuckstück von Hand gefertigt wurde, wie übrigens die überwiegende Mehrzahl der gezeigten Teile, muss nicht extra gesagt werden, das versteht sich angesichts dieser funkelnden Verrücktheit von selbst. Auch dass nur 14 Stück davon überhaupt angefertigt wurden, überrascht bei dem Aufwand nicht, den es bedeutete, das Stück herzustellen.
Doch wissen kann das nur die Sammlerin Gisela Wiegert, die diese Information beim Rundgang mit dem Regionalfernsehen preisgibt. Vor dreißig Jahren stieß die inzwischen pensionierte Lehrerin auf ihr erstes Stück, eine Brosche von Dior. Mit ihr wurde sie zur international gereisten und inzwischen vernetzten Sammlerin, die Antiquitätengeschäfte durchstöbert, früher auch noch Zeitungsanzeigen, heute natürlich das Internet.
Besonders stolz ist die Sammlerin auf das 1955/56 produzierte Set „Bal des oiseaux“, denn sie besitzt alle seine Teile, also Collier, Armband, Brosche und Ohrstecker. Das ist nicht selbstverständlich, der Händler, der ihr das Collier mit den tanzenden Vögeln verkaufte, versicherte ihr, die Kette wäre das einzige noch existente Teil. Gisela Wiegert suchte trotzdem und wurde in den USA fündig. Warum der im Zusammenhang mit der Haute Couture entwickelte Modeschmuck oft nur in zwei oder drei Exemplaren existiert, erklärt sich dadurch, dass er nur für den Laufsteg hergestellt wurde. Dior, besonders der frühe Schmuck aus den 1950er Jahren, ist das Herzstück der Sammlung.
Doch selbstverständlich umfasst sie auch anderen hochwertigen Modeschmuck aus Europa und den USA seit den 1920er Jahren. Daher kommt man in der Modegalerie im Erdgeschoss des Kunstgewerbemuseums in den Genuss eines hochkarätigen Überblicks über die relevanten Designer und Schmuckwerkstätten.
Den Anfang machen die Amerikaner Miriam Haskell, Stanley Hagler, Robert, William de Lillo, alle in New York, und in Los Angeles Eugene Joseff, der Hollywood ausstattete. Warum das Museum ausgerechnet seine Brosche „Headhunter“ von 1930 zeigt, den Kopf eines afroamerikanischen Sklaven mit prachtvollen Ohrgehängen und Nasenring, ist bei aller Kunstfertigkeit der Ausführung nicht wirklich nachvollziehbar.
In Paris waren es Elsa Schiaparelli und vor allem Coco Chanel, die Modeschmuck als essenzielles gestalterisches Element ihrer Kollektionen begriffen. Ihre teils berühmten Entwürfe gehören genauso zu den insgesamt rund 500 gezeigten Objekten wie die von John Galliano, Yves Saint Laurent oder Franco Moschino und 18 weiteren Künstlern.
Deutschland war als wichtiger Produktionsstandort von Modeschmuck etwa in Idar-Oberstein oder Neugablonz mit von der Partie. In Pforzheim saß die Firma Henkel & Grosse, die in den 1930er Jahren mit Lanvin und Schiaparelli zusammengearbeitet hatte. Nach dem Krieg ließ hier Dior seinen Schmuck herstellen, 2004 wurde Henkel & Grosse vollständig vom Modehaus Dior übernommen. Aber wie schon gesagt: All die Information ist nichts, sehen ist alles.
Bis 27. Januar 2019, Kunstgewerbemuseum, Matthäikirchplatz, Do.–Fr. 10–18, Sa., So., 11–18 Uhr
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