kolumne macht
: Der Fehler des Friedrich Merz

Der Machtkampf in der CDU offenbart vieles: Annegret Kramp-Karrenbauer gilt als zu merkelig, Jens Spahn als zu vorlaut. Und Friedrich Merz wird gerade vieles nachgesehen. Außerdem gibt es eine herrliche Pointe

Foto: Anja Weber

Bettina Gaus

ist politische Korrespondentin der taz

Wenn Jens Spahn beweist, dass er nicht nur vorlaut ist, sondern auch intelligent, dann hat er vielleicht eine große politische Karriere vor sich. Dafür müsste er allerdings seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz so schnell zurückziehen, dass sich jetzt im Gedächtnis der Öffentlichkeit nicht das Bild eines Losers festsetzt. In dieser Runde schafft er’s ohnehin nicht.

Der Gesundheitsminister gilt als zu jung, zu unerfahren. Er hat noch viel Zeit. Annegret Kramp-Karrenbauer? Irgendwie merkelig, irgendwie blass. Das jedenfalls glaubt Umfragen zufolge eine Mehrheit der Bevölkerung und – viel wichtiger – die Mehrheit der Unionsanhänger.

Die beiden mögen diese Urteile als ungerecht empfinden. Aber es hat wenig Zweck, im Hinblick auf die eigene Person gegen die öffentliche Meinung zu argumentieren. Sie können sich ja darüber mal mit Friedrich Merz unterhalten. Der hat zum Thema einiges zu sagen.

Die öffentliche Meinung kann jedoch auch gnädig sein, sogar unangemessen gnädig. Gegenwärtig läuft es gut für Friedrich Merz. Es spricht ja so viel für ihn! Oder etwa nicht?

Er hat bewiesen, dass er nicht an einem politischen Posten klebte, sondern nach seinem Abschied aus dem Bundestag achselzuckend ein neues, erfolgreiches Kapitel in seinem Lebenslauf aufzuschlagen imstande war. Er ist die große Hoffnung der sozialdemokratischen Opposition – ach nein, sorry, der Koalitionspartnerin. Die hofft, an ihm ihr Profil schärfen zu können. Er gilt als wirtschaftsliberal, als wertkonservativ, was immer das heißen mag, als gradlinig. Inzwischen glauben das selbst Leute, die vor einer Woche noch nie von Merz gehört hatten. Segnungen des Herdentriebs.

Eine Frage wurde allerdings bisher nicht gestellt: Kann er’s eigentlich? Wenig spricht dafür.

Merz mag siegen, aber wäre er imstande seinen Sieg in konkrete Politik zu verwandeln? Den Nachweis muss er erst erbringen. Ach, das selektive Gedächtnis der Öffentlichkeit. Sie erinnert sich derzeit an einen Mann der klaren Worte und der klaren Werte. Woran sie sich nicht erinnert: Warum er seinen Abschied nehmen musste.

Friedrich Merz hat 2002 den Machtkampf gegen Angela Merkel verloren, obwohl er als Fraktionsvorsitzender der Union die weitaus besseren Voraussetzungen für einen Sieg hatte als eine CDU-Parteivorsitzende ohne Hausmacht. Weil sie etwas von Machtpolitik verstand und er nicht. So einfach war das.

Die Welle der Sympathie, von der Merz gegenwärtig getragen wird, hat nicht nur, vielleicht nicht einmal vorwiegend, mit ihm selbst zu tun. Sondern mit dem Wunsch nach eindeutig definierten politischen Programmen und Unterschieden. Also nach der guten alten Zeit, in der rechts noch rechts und links noch links war.

Die Vergangenheit kommt aber nicht zurück. Merz hin, Kramp-Karrenbauer her. Bonn ist Geschichte. Vielleicht ist Armin Laschet der Mann der Zukunft: Falls Merz einen dramatischen Fehler begeht, dann muss sich der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nicht einmal um die Macht bemühen. Sie fällt ihm einfach in den Schoß. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht.

Wie auch immer der Machtkampf in der Union ausgeht: Einige Tage lang dürfen alle alles sagen und werden gedruckt. Eine Pointe hat uns das beschert: Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück behauptet nun, seine Partei bräuchte einen Politiker wie den linken US-Senator Bernie Sanders an der Spitze. Ausgerechnet Steinbrück. Das Trauma der SPD scheint so tief zu sein, dass nicht einmal Friedrich Merz es heilen kann.