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Beamte müssen jobben

Sieben Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben einen Nebenjob. In den unteren Gehaltsgruppen reicht das Geld oft nicht zum Leben, sagt eine Ver.di-Sprecherin

Von Marthe Ruddat

Sieben Prozent der Hamburger Beschäftigten im öffentlichen Dienst gehen einer Nebentätigkeit nach. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der Linken hervor. Demnach haben von den 82.803 BeamtInnen und Angestellten der Stadt und der öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen fast 6.000 einen zweiten Job.

„Bei Teilzeitbeschäftigten ist es nachvollziehbar, dass sie einer Nebentätigkeit nachgehen. Bei einer Vollzeittätigkeit eher nicht“, sagt Carola Ensslen, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion. „Da liegt die Vermutung nahe, dass aus finanziellen Gründen eine Nebentätigkeit nötig ist.“ Rund zwei Drittel der Beschäftigten, die einen Nebenjob haben, sind in Vollzeit bei der Stadt angestellt.

Sieglinde Frieß, Ver.di-Fachbereichsleiterin für den öffentlichen Dienst in Hamburg, sagt, es gebe unterschiedliche Gründe, warum Beschäftigte im öffentlichen Dienst nebenbei jobben. Nicht immer stünden finanzielle Gründe dahinter. Die meisten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die in der Kernverwaltung tätig sind, arbeiten zusätzlich als LehrerInnen oder DozentInnen. Ihnen gehe es nicht primär ums Geld, „sondern um eine zusätzliche gesellschaftspolitische Betätigung“, sagt Frieß. Andere, die nebenbei beispielsweise als BeraterInnen oder ArchitektInnen arbeiten, würden auf dem aktuellen Stand der Entwicklung bleiben oder sich ein zweites Standbein erhalten wollen.

Finanzielle Schwierigkeiten hätten dagegen Beschäftigte der unteren Entgeltgruppen. Das seien vor allem Menschen, die einfachen Tätigkeiten nachgingen, beispielsweise in der Verwaltung oder im einfachen Technikbereich. „Bei dieser Gruppe wird es eng, vor allem wenn die Beschäftigten alleinerziehend sind oder sie Familie haben“, sagt Frieß. So bekäme ein ausgelernter Handwerker etwa 2.200 bis 3.000 Euro brutto. „Wenn man hier von einem Einkommen von 2.500 Euro ausgeht, dann bleibt für eine vierköpfige Familie nach den üblichen Abzügen trotz Kindergeld nicht viel zum Leben“, sagt Frieß.

Auch in der Hamburger Behörde für Inneres und Sport haben 14 Prozent der Beschäftigten einen Nebenjob. Darunter sind laut Linksfraktion PolizistInnen und Feuerwehrleute. Sie verdienen zwar nicht schlecht, sagt Frieß, doch auch bei ihnen würde das Geld knapp, wenn sie Familie hätten. „Beschäftigte bei der Feuerwehr haben fast immer einen handwerklichen Beruf gelernt“, erklärt sie. „Diesem gehen sie nach Feierabend nach, um etwas dazu zu verdienen.“

„Da liegt die Vermutung nahe, dass eine Neben-tätigkeit nötig ist.“

Carola Ensslen, Die Linke

Ensslen sagt, es gehe den Beschäftigten nicht um die Sicherung des Existenzminimums. Teure Mieten und die Finanzierung von Kindern stellten für viele Beschäftigte ein Problem dar. Eine simple Erhöhung des Mindestlohns reiche deshalb nicht aus. „Lohnsteigerungen müssen mindestens die steigenden Lebenshaltungskosten auffangen“, sagt sie.

Das sieht auch Frieß so. Gerade in Hamburg seien die Kosten für Wohnen und Leben so überproportional hoch, dass das Gehalt aus der Beschäftigung im öffentlichen Dienst manchmal nicht ausreiche. „Deshalb fordern wir bei Tarifrunden zumeist eine proportionale Lohnerhöhung für die unteren und mittleren Einkommen, um gerade in Ballungsräumen einen guten Lebensstandard zu sichern.“ Frieß sieht noch ein weiteres Problem: Sie fürchtet eine permanente Überforderung der Beschäftigten mit Nebenjobs. „Die Arbeit im öffentlichen Dienst ist an sich schon anstrengend“, sagt sie. „Ein Nebenjob ist eine zusätzliche Belastung.“

Trotzdem liegen Nebenjobs im Trend. Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Zahl derer, die nebenbei jobben, seit Jahren ansteigt. Demnach hatten Mitte vergangenen Jahres 2,7 Millionen (rund 8,4 Prozent) der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland noch einen Minijob – eine Steigerung von 190 Prozent im Vergleich zu 2003.

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