piwik no script img

Scheue Rückkehr auf schwieriges Terrain

Jennifer Capriati betrat einst als Jugendliche die Tenniswelt. Lange hat man nichts mehr von ihr gehört. Jetzt zeigt sie sich wieder

Aus Singapur Doris Henkel

Die Überraschung war groß, als vor ein paar Tagen bei der Gala zu den WTA Finals auf einmal Jennifer Capriati auf die Bühne gerufen wurde. Normalerweise werden die Namen prominenter Gäste bei solchen Gelegenheiten vorab veröffentlicht, um Aufmerksamkeit zu generieren, doch in diesem Fall dachten die Verantwortlichen offenbar, es sei besser, nicht zu früh in die Offensive zu gehen. Im Gegensatz zu vielen Stars früherer Tage, die immer noch eng mit dem Tennisleben verbunden sind, waren seit Capriatis letztem Auftritt fünf Jahre vergangen, und es gab bis zuletzt Zweifel, ob sie wirklich nach Singapur kommen würde. Als sie dann bei der Gala auf der Bühne stand, wirkte sie unsicher und nervös.

Natürlich tauchten vor dem inneren Auge sofort die Bilder von früher auf. Mit 14 spielte Jennifer Capriati, die Tochter eines Italieners und einer Amerikanerin, bei den French Open 1990 in Paris zum ersten Mal bei einem Grand-Slam-Turnier, von allen mit höchstem Interesse verfolgt; sie galt als riesengroßes Talent. Zwei Jahre später gewann sie die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Barcelona mit einem Sieg im Finale gegen Steffi Graf, doch im Gegensatz zu Graf, die genauso früh begonnen hatte und auch unter den Aussetzern eines unberechenbaren Vaters zu leiden hatte, fand sie keinen Halt in der turbulenten Welt.

Im Jahr danach wurde sie bei einem Ladendiebstahl erwischt, später wegen des Besitzes von Marihuana verhaftet und verschwand ein paar Jahre lang von der Bühne. Doch sie kehrte spektakulär zurück, schenkte sich und der Welt zu Beginn der 2000er Jahre in Melbourne und Paris drei Grand-Slam-Titel.

Capriatis Karriere endete 2004. Ein Jahr, nachdem Monica Seles zurückgetreten war, die bei ihrem ersten Grand-Slam-Turnier 1990 bei den French Open in Paris mit 16 im Halbfinale gegen die gut zwei Jahre jüngere Amerikanerin gewonnen hatte. Seles’ Karriere wurde vom Attentat eines Mannes überschattet, der Steffi Graf verehrte und der Konkurrentin bei den German Open 1993 in Hamburg ein Messer in den Rücken rammte.

Nach ihrem Rücktritt zog sich Monica Seles ins Privatleben zurück, und es vergingen Jahre, bis sie gelegentlich wieder beim Tennis auftauchte. Heute sagt sie über sich, sie sei eine sehr zurückhaltende, introvertierte Person, aber irgendwann hatte man den Eindruck, sie stehe nicht mehr unter dem bösen Einfluss der Geister der Vergangenheit. Bei Capriati sah die Sache anders aus. Nach dem Tod ihres Vaters Stefano vor drei Jahren fiel sie – nicht zum ersten Mal – in eine schwere Depression. Jenes dominanten Vaters, der zugegeben hatte, er habe viel zu viel Druck auf seine Tochter ausgeübt.

Montagnachmittag saßen Capriati und Seles auf einem Podium in den Katakomben der Arena von Singapur, daneben Lindsay Davenport und Kim Clijsters. Die Amerikanerin hatte wie Seles mit 15 auf der großen Bühne angefangen, Clijsters mit 16, alle vier stammen also aus einer Zeit, in der Teenager im Frauentennis den Ton angaben. Und die dabei immer in Gefahr waren, zu früh mit einem zu komplizierten Leben konfrontiert zu werden. In manchen Fällen ging die Sache gut. Clijsters wurde immer von ihrer Freundlichkeit gegenüber jedermann beschützt; sie macht heute als Mutter dreier Kinder und als ständiger Gast beim Tennis den Eindruck, als könne es ihr nicht besser gehen. Davenport, die am Anfang scheu und schüchtern war, hat vier Kinder; sie kommentiert regelmäßig fürs Fernsehen, trainiert die Amerikanerin Madison Keys, und sie hat eine Wandlung hingelegt, die man nur bewundern kann.

Und Capriati? Die wirkte diesmal nicht mehr ganz so nervös wie ein paar Tage zuvor bei der Gala. Ob man sie in Zukunft öfter beim Tennis sehen wird? „Mal sehen“, sagt sie. „Ich meine, ein so großer Teil meines Lebens hat in der Öffentlichkeit stattgefunden, und ich denke, alle von uns ziehen sich gern ins Private zurück. Aber ich liebe Tennis immer noch. Ich vermisse es. Es ist einfach ein Teil von mir. Ich hätte gern wieder ein bisschen mehr damit zu tun.“

Als Einzige der vier ging sie dann gleich; froh, auch diesen Auftritt hinter sich zu haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen