Ausgehen und rumstehen von Jenni Zylka: Außer Taille haben Wespen wirklich nichts zu bieten
Wo man hinschaut FeministInnen – herrlich, wie man so sagt. Donnerstag nämlich spielten Britta ihr zwanzigjähriges Jubiläum im Festsaal Kreuzberg, und auch wenn sich die Herbsthustenviren von meinem Versuch, sie mit einer traditionellen Medizin aus destillierter Weizenflüssigkeit und einem chinin- und kohlensäurehaltigen Bitterstoff zu verjagen, kaum beeindrucken ließen: Es war ein wunderbarer Abend. Der Bass von Julie Miess klang melodisch wie ein Liebeslied, und während Christiane Rösinger im Britta-Song „Wer wird Millionär?“ „Ist das noch Boheme, oder schon die Unterschicht?“ dichtete, stand ich sinnierend an der Bar und wartete auf die Rückgabe meines Pfand-Euros. Mit so einem Euro kann man schließlich eine Menge anfangen, etwa einen Brauselutscher in Lippenstiftform kaufen, ihn der Motz-Verkäuferin schenken oder ein Loch reinbohren, um ihn am Lederband um den Hals zu hängen und auszusehen wie die Kinder im Schullandheim 1979.
Nur an diesem ekelhaften „Mercedes Platz“, an dem jüngst die „Verti Music Hall“ eröffnet hat, geht garantiert überhaupt nichts mit einem Euro. Da ist alles teurer: Touristische Food-Franchiseketten reihen sich an Souvenirläden, und es braucht schon einen guten Grund wie den Rock-’n’-Roll-Feministen Jack White, um diesen grausigen Platz aufzusuchen. Nach dem Konzert war ich kurzzeitig so verliebt in Jack, dass ich noch nicht nach Hause gehen konnte, sondern mich ins Mysliwska setzte und irgendwie ein bisschen hoffte, er käme vielleicht zufällig dort vorbei, die Edward-Scissorhands-Frise züchtig unterm Hut versteckt, um mit mir über seine polnischen Vorfahren zu reden. Passierte aber nicht. Samstag war erst einmal Demo, auf der ich lange überlegte, ob ich lieber beim „Röcke gegen Höcke“ oder beim „Hass macht blass“-Block mitlaufen sollte, ich fand den zweiten Block dann aber doch im Hinblick auf meine Hautfarbe ein bisschen beleidigend – ja wie, bitte schön, soll man denn aussehen, wenn man unter Herbsthusten leidet, wenig schläft, Jack White einem in den Knochen steckt und man eh qua Veranlagung kaum Hämoglobin hat?! Nach der Demo kaufte ich mir darum eine Palette Rotbäckchen (in den tolle Sorten „Immunstark“ und „Lernstark“).
Und das wirkte sofort: Am Samstagabend war ich wieder fit wie ein Pumps und fleißig wie ein Bienchen und konnte den Geburtstag eines Freundes feiern, der dafür seinen Flügel (er ist Komponist) geschlossen, und den Deckel komplett mit Käse- und Schinkenscheiben belegt hatte, auf Servierbrettern natürlich. Das sah beeindruckend aus, wie eine Joseph Beuys-Installation. Inspiriert von so viel lukullischer Kreativität buk ich am Sonntag Apfelstreuselkuchen, setzte mich in den Park am Gleisdreieck und fütterte die Bienchen beziehungsweise Wespchen. Dabei hatte ich wieder vergessen, dass sich diese dämlichen Wespen angeblich mit dem Verbrennen von Kaffeepulver fernhalten lassen, und keines mitgebracht, nur einen Cappuccino im Mehrwegbecher. Ich möchte aber eh gern mal wissen, was in einer Wespe vorgeht, wenn sie verbrannten Kaffee riecht. Denkt sie dann: „Wenn die ihren Kaffee anbrennen lassen, kann der Kuchen ja auch nicht schmecken, ich flieg mal lieber weiter“? Nervige Viecher. Außer der Taille haben die wirklich gar nichts zu bieten.
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