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Es braucht nur etwas Glück

Bürger*innen mit niedrigen Einkommen können mit einem Wohnberechtigungsschein eine öffentlich geförderte, relativ preisgünstige Wohnung mieten – es werden immer weniger

Von Hannes Koch

Früher war dieses Papier eine Verheißung. Wer es besaß, hatte gute Chancen eine bezahlbare Wohnung zu finden. Mittlerweile interessiert der Wohnberechtigungsschein (WBS) weniger Leute. Trotzdem bietet er noch immer Zugang zu öffentlich gefördertem und damit relativ preisgünstigem Wohnraum.

„Wir empfehlen, den WBS zu beantragen“, sagt Wibke Werner, die Vizegeschäftsführerin des Berliner Mietervereins. „Zwar ist die Zahl der Sozialwohnungen gesunken. Doch wer Glück hat, findet trotzdem eine und benötigt dann den Nachweis.“

Denn grundsätzlich darf nur, wer einen WBS erhalten hat, in eine geförderte Wohnung ziehen. Das ist die gute Nachricht. Allerdings gibt es in Berlin viel weniger öffentlich bezuschussten Wohnraum als früher. Während 1990 rund 340.000 Wohnungen vor allem von staatlichen Unternehmen günstig angeboten wurden, sind derzeit nur noch 100.000 Unterkünfte in der Preisbindung. Die Tendenz auf Bundesebene zeigt in dieselbe Richtung. Die Zahlen gehen zurück, weil jahrelang kaum neue Sozialwohnungen errichtet wurden, während die Bindung für bestehende Gebäude turnusgemäß auslief.

Daraus ergibt sich ein nachvollziehbarer Widerspruch. Grundsätzlich hätte rund die Hälfte der Berliner Mieter*innen das Recht, eine öffentlich geförderte Wohnung mit moderatem Preis zu beziehen. Von diesen anderthalb Millionen Menschen besitzen aber nur knapp 47.000 einen Wohnberechtigungsschein (WBS). Den Zettel zu haben scheint nicht mehr attraktiv. Neben dem Missverhältnis von Angebot und Nachfrage spielt auch eine Rolle, dass es mit erheblichem Aufwand verbunden ist, den WBS zu beantragen.

Wer es versuchen will, erhält den Antrag bei den Bürger­ämtern der Bezirke. Diese nehmen auch die ausgefüllten Unterlagen in Empfang. Ein wesentlicher Teil des Antrags besteht im Nachweis, dass das Einkommen der Antragsteller nicht über einem definierten Höchstbetrag liegt. Weil nur Bürger*innen mit niedrigen Verdiensten in den Genuss preisgünstiger Wohnungen kommen sollen, gilt in Berlin grundsätzlich die Grenze von 16.800 Euro pro Jahr für Einpersonenhaushalte und 25.200 Euro für Zweipersonenhaushalte. Hinzugerechnet werden Beträge für weitere Personen und Kinder. Genaue Informationen finden Interessierte beispielsweise im Internet-Familienportal des Senats oder beim Berliner Mieterverein.

Infos, Antrag und Berechnung

Informationen zum WBS: Infos zum Wohnberechtigungsschein sind beim Berliner Senat, dem Mieterverein oder der Mietergemeinschaft zu erhalten:www.berlin.de/familie/familie/de/informationen/wohnberechtigungsschein-wbs-50www.stadtentwicklung.berlin.de/service/formulare/de/wohnen.shtml#wohnwirt

www.bmgev.de

Antrag: http://service.berlin.de/standorte/

Berechnungsverfahren: https://www.berliner-mieterverein.de/recht/infoblaetter/info-72-tipps-zum-wohnberechtigungsschein-wbs.htm

Aber auch Personen mit Einkommen über der Höchstgrenze können einen WBS erhalten. Denn bestimmte Posten darf man bei der Berechnung vom Einkommen abziehen. Dazu gehört etwa der Arbeitnehmerpauschbetrag von 1.000 Euro jährlich. Wer Steuern, Kranken- und Rentenversicherung entrichtet, kann dafür bis zu 30 weitere Prozent vom Verdienst absetzen. Leben Kinder oder andere Personen im Haushalt, die betreut werden müssen, sind zusätzliche Abzüge möglich. Die Bruttogrenze, bis zu der sich ein WBS-Antrag lohnen kann, liegt im Umkreis von 25.000 Euro für eine und etwa 40.000 Euro für zwei Personen.

Hat das Wohnungsamt dem Antrag stattgegeben, ist der Berechtigungsschein ein Jahr gültig. Damit kann man sich um Sozialwohnungen bewerben, die nicht selten um ein Drittel oder die Hälfte billiger sind als Unterkünfte auf dem Markt. Die niedrigere Miete kommt dadurch zustande, dass der Staat den Immobilienbesitzern Zuschüsse zu deren Baukosten überweist. Die Sozialwohnungen sollen übrigens nicht zu groß sein. Grundsätzlich gilt: ein Zimmer pro Person im Haushalt, plus Küche und Bad.

Nichts zu tun hat der Wohnberechtigungsschein für Sozialwohnungen mit dem sogenannten Wohngeld. Dabei handelt es sich um Zuschüsse, die der Staat an Mieter zahlt, die in teureren Gebäuden des freien Marktes wohnen.

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