Gründung der „Juden in der AfD“: Nicht mehr als eine schlechte Ausrede
Die AfD will eine Vereinigung für Juden gründen, zugleich duldet sie Antisemitismus innerhalb der Partei. Hinter der Gründung der „JAfD“ steckt Strategie.
Die AfD will eine Vereinigung von Mitgliedern, die jüdischen Glaubens sind, gründen. Das berichtete die taz bereits Anfang September. Nun wurde mehr bekanntgegeben: Ihre erste Versammlung soll am 7. Oktober in Offenbach stattfinden, bei der Beatrix von Storch und Joachim Kuhs als Redner*innen auftreten sollen. Diese Informationen stammen aus einem Schreiben „jAfD“, das der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorliegt.
Vertreter jüdischer Gemeinden kritisieren die Gründung der neuen Vereinigung. So bezeichnete Michael Friedmann, der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegenüber der Bild die AfD als „menschenverachtende demokratiefeindliche Partei“. „Niemand sollte in die AfD eintreten, ein Jude erst recht nicht“, sagte Friedmann. Und auch die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, äußerte sich bei der Bild kritisch zum neuen Vorhaben der AfD: „Die AfD ist und bleibt eine Partei, in der Antisemiten sich pudelwohl fühlen können.“
Da ist etwas dran, denn antisemitische Vorfälle sind in der AfD kein Einzelfall. Dazu gehören auch die Aussagen und veröffentlichten Bücher des baden-württembergischen Politikers Wolfgang Gedeon – den man seit Anfang des Jahres auch offiziell als Holocaust-Leugner bezeichnen darf. Gedeon war im Januar in Berlin vor Gericht mit einer Unterlassungsklage gegen den Präsidenten des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, gescheitert, der ihn öffentlich als solch einen bezeichnet hatte.
Immer wieder fällt die Partei mit ihrem Umgang mit der deutschen Geschichten auf – wie als AfD-Vorsitzender Alexander Gauland die Naziherrschaft als „Vogelschiss“ bezeichnete. Oder Björn Höcke das Holocaust-Mahnmal „Denkmal der Schande“ nannte.
Jüdische Mitglieder als Tokens
Der Tod von sechs Millionen Jüd*innen wird von der Partei ständig relativiert. Und das betrifft nicht nur einzelne Personen aus der Partei, sondern ihre gesamte Parteilinie. Beim Wahl-O-Mat für die anstehende Bayern-Wahl der bpb ist die AfD die einzige Partei die nicht möchte, dass die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus zentraler Bestandteil der Schulausbildung bleiben muss.
Doch was bezweckt die rechte Partei mit der Gründung ihrer Vereinigung? Um eine Kehrtwende ihrer Parteilinie und damit ein verstärkter Einsatz gegen Antisemitismus geht es nicht. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Auch, wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, sind mehrere Menschen mit jüdischem Glauben Mitglieder der rechtsextremen Partei. Widersprüchlich ist es allerdings nur für diejenigen, die davon aussgehen, dass wer von Diskriminierung betroffen ist, nicht selbst diskriminiert. Was nicht stimmt.
Ein Beispiel dafür ist Wolfgang Fuhl. Der 57-Jährige gehörte dem Vorstand der jüdischen Gemeinde in Lörrach an, als AfD-Politiker hetzt er gegen Geflüchtete und wünscht sich eine Festung Europa – ähnlich sieht es auch bei Alexander Beresowski aus Stuttgart aus. Sie fungieren als Tokens für die Partei. Bei folgenden antisemitischen Äußerungen und Vorfällen kann die Partei künftig auf die jüdische Vereinigung verweisen. Im Sinne von: Guckt mal, jüdische Personen fühlen sich in unserer Partei wohl, wir vernetzen sie, deswegen können wir gar nicht antisemitisch sein.
Ähnlich wie bei der Vereinigung der „Homosexuellen in der AfD“ geht es auch bei der neuen Plattform hauptsächlich um eines: Hetze gegen Muslim*innen. Sie nutzen ihr angebliches Interesse an Menschen mit Diskriminierungsmerkmalen, um ihren Rassismus zu verschleiern und zu erklären. So warnt die AfD regelmäßig vor der Bedrohung jüdischen Lebens in Deutschland, die Täter*innen sind für sie dabei ganz klar muslimische Geflüchtete. Diese sollen den Judenhass nach Deutschland gebracht haben. Vielleicht sollten die AfD-Mitglieder selbst noch einmal in die Schule gehen und sich über die Verbrechen des Nationalsozialismus bilden. Vielleicht erkennen sie dann: Der größte Judenhass kommt von den Deutschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos