: Wolfskenner sollen schweigen
Ministerium verbietet Experten-Einschätzung
Wölfe töten ihre Opfer meist mit einem Kehlbiss. Wenn die Reste der Schafe dann so auf der Weide liegen, ist auf Anhieb erkennbar, dass sie nicht an Altersschwäche gestorben sind. Ob es aber tatsächlich ein Wolf war, der sie getötet hat, ist trotz der Verletzungen weniger eindeutig. Auch Hunde, Füchse oder Luchse können in einem wolligen Schaf eine fette Beute sehen. Das Land Niedersachsen will ehrenamtliche Wolfsberater dazu verpflichten, dass sie keine eigene Einschätzung darüber abgeben, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Wolf der Täter ist. Sie sollen am Tatort nur DNA-Proben nehmen. Einige der 140 ehrenamtlichen Wolfsberater empfinden das als „Maulkorb-Erlass“.
Wenn Tierhalter die Wolfsberater rufen, sind sie in der Regel aufgeregt. Sie wollen eine Erklärung dafür haben, was mit ihren Tieren passiert ist. Dass Wolfsberater gar keine Einschätzung mehr treffen sollen, sei deshalb nicht praktikabel, sagt Uwe Seggermann. Er war bis Ende September Wolfsberater in Stade. Doch er weigerte sich, die neuen Grundsätze anzuerkennen.
Es sei klar, dass der Wolfsberater nicht die Ergebnisse des amtlichen DNA-Tests vorweg nehmen dürfe, sagt Seggermann. „Aber die Tierhalter drei Monate hängen zu lassen, bis die DNA-Probe da ist, trägt auch nicht zur Akzeptanz der Maßnahme bei.“
Sabine Schlemmer-Kaune, Sprecherin des Umweltministeriums, ist die Kritik bekannt. Sie betont, dass Wolfsberater wichtige Partner seien und man ihnen nur eine Hilfestellung an die Hand geben wolle: Es komme vor, dass Wolfsberater unter Druck gesetzt würden, Aussagen über einen Riss zu treffen. „Davor wollen wir die Wolfsberater schützen“, sagt sie. Die Kommunikation solle sachorientiert und möglichst einheitlich sein.
Für Landwirte ist es deshalb so wichtig zu wissen, ob es ein Wolf war, weil ihnen dann eine Entschädigung vom Land zusteht – zumindest, wenn sie ihre Tiere durch einen Zaun geschützt haben. Es habe in der Vergangenheit Situationen gegeben, in denen Wolfsberater absolut sicher gewesen seien, dass der Rissverursacher ein Wolf gewesen sei und dem Halter die staatliche Entschädigung für einen Wolfsriss quasi schon zugesagt hätten, sagt Raoul Reding von der Landesjägerschaft. Der DNA-Test ergab dann ein anderes Ergebnis. In solchen Fällen müsse es Gespräche mit den Wolfsberatern geben, sagt Reding. Dass ihnen nun grundsätzlich vorgeschrieben werde, was sie sagen dürfen, sei hingegen „eine unglückliche Situation.“
Andrea Maestro
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