Als der Surf zur weiblichen Stimme fand

Wird Zeit, dass sie einem breiteren Publikum bekannt werden: die Rockbands La Luz und Peggy Sue am Dienstag im Musik & Frieden

Von René Hamann

Peggy Sue lässt sich scheiden. Angeblich sind die vier Bandmitglieder, darunter eine frisch eingespielte Schlagzeugerin, gerade erst mit dem Zug aus Köln gekommen. Vielleicht erklärt das ihre Zurückhaltung. Aber jetzt stehen sie hier auf der Bühne des Clubs „Musik & Frieden“, an dessen Namen man sich immer noch gewöhnen muss (vorher war hier der Magnet Club, davor der Dots Club, und davor hieß der Club noch mal anders), und spielen Songs über Trennungen. „Six songs about break-up“, kündigen Katy Young und Rosa Slade an, die im Wesentlichen die Band stellen. Dabei wirken sie etwas müde und reserviert.

Peggy Sue machen Früh-Sixties-geschwängerte Rockmusik. Das Tempo ist meist eher gedrosselt. Sie haben einen Soultouch; ihre Musik besticht besonders durch Harmoniegesang. Auf den Gitarren liegt der genretypische schöne Hall, aber mit der echten Pulp-Fiction-Welt mit den hinten gekreuzten Waden haben die Frauen aus Brighton, die es in der Formation auch schon über zehn Jahre gibt, nicht so viel am Hut. Wird Zeit, dass sie einem breiteren Publikum bekannt werden: Bislang gab es drei reguläre Alben, zuletzt 2014. Dass sie sich nach der Ikone des seligen Buddy Holly benannt haben, ist kein Zufall. Und doch liegen sie näher an der Gegenwart als manche andere Band, die ein ähnliches Gedängel spielt.

La Luz zum Beispiel. Die Band kommt so aus Kalifornien, wie man nur aus Kalifornien kommen kann: Sie wohnen in L.A. an der Küste und huldigen dem Surf. Sie stellen an diesem Vorabend des Nationalfeiertags natürlich die Hauptband; in Berlin haben sie schon mehrfach gastiert und sich eine Fangemeinde erspielt, tatsächlich ist es überraschend voll an diesem Dienstagabend.

La Luz haben alle Platten von Dick Dale und den Ventures zu Hause im Schrank; dementsprechend klingt ihr Sound: Sängerin und Gitarristin Shana Cleveland ist an diesem Abend nicht ganz bei Stimme, weiß aber eben, wie man eine Surf-Gitarre spielt. Alice Sandahl spielt dazu eine schön satte Farfisa-Orgel, die Ray Manzarek erbleichen lassen würde.

Grund der Tour: La Luz haben ein neues Album im Gepäck. Nach der Zusammenarbeit mit Ty Segall haben sie den Fuzz entsorgt und sich aufs Wesentliche besonnen: auf den „Surf Noir“ mit psychedelischer Note, den sie am besten können. Die Songs sind sich zuweilen selbstähnlich; Die Texte spielen ebenso mit „I miss you, baby“-Situationen wie die von Peggy Sue. Sagen wir: ozeanische Sehnsucht vor melancholischer, ausgeblichener Fototapete und mit gern dreifacher weiblicher Stimme.

Aber es lässt sich cooler an. Es schwingt mehr, hat mehr Griff, besonders wenn die Farfisa dröhnt und der Hall der Gitarre an die turmhohen Wellen des Pazifiks erinnert. „Floating Features“ heißt das neue Album; „Loose Teeth“ ist mehr als ein Anspieltipp.

Im „Musik & Frieden“, dem Laden mit dem Hippie-Namen, der schon lange jenseits aller Ironie liegt, leidet der Sound unter der schlechten Ladenarchitektur; aber das war da schon immer so. Der Mischer findet nicht immer die richtige Mischung, aber das kann auch am Laden liegen. Früher war auch nicht alles besser. Die Welt ist tatsächlich eine bessere geworden im Vergleich zu den amerikanisch bunten Frühsechzigern, wie sie hier vermittelt wieder aufbranden.

Der Surf hat zur Stimme gefunden, und zwar endlich auch zur weiblichen. Selbst wenn das dazu führt, dass La Luz leicht ironisch vor scheußlicher Deko stehen müssen, um sich fürs neue Albumcover ablichten zu lassen: Versonnen cool geht jetzt auch weiblich. Mit schwarzem, kurzem Rock und weißen Socken in Straßenschuhen. Surf noir, baby.