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Menschen, Tiere und Maschinen

Die Choreografin Meg Stuart kreiert mit ihrer Compagnie „Damaged Goods“ unter dem sperrigen Titel „Projecting [Space[“ ein widersprüchliches Begegnungswerk im alten Industrieareal Schöneweide

Die Sonne war Sieger: Meg Stuarts „Projecting [Space[“ bei den ReinbeckhallenFoto: Laura van Severen

Von Tom Mustroph

Der Mensch ist ein Nachahmungstier. Gerade noch hatten die Performer von Meg Stuarts Compagnie „Damaged Goods“ kleine Berührungschoreografien mit Zuschauern in einer mit großen Metallregalen vollgestellten Halle durchgespielt, da hielten beim Bewegen in den nächsten Raum einige der Zuschauer probehalber die Fingerspitzen aneinander und testeten, was an Wärme, an Empathie, an Zuwendungsenergie durch die derart verbundenen Körper fließen mochte. Freudiges Strahlen erhellte ihre Gesichter. Und für einen winzigen Moment schien es, als hätte sich die menschliche Kommunikation der nahen Zukunft, die Stuart hier bewegungsspekulativ zu erforschen beabsichtigte, bereits realisiert.

Solche kleinen Momente des Verstehens, des Andockens, ja des Aufgehobenseins gab es immer wieder in „Projecting [Space[“. Zur Spielzeiteröffnung des Kreuzberger HAU wurde das im letzten Sommer in einer stillgelegten Zeche im Ruhrgebiet uraufgeführte Werk nun in eine ausgeweidete Maschinenhalle in Oberschöneweide transportiert. Die Momente geglückter Kommunikation schälten sich allerdings heraus aus einem Ozean von Angeboten, die man nicht immer annehmen mochte. Sei es, dass die Performer für einen Moment zu nahe waren oder zu weit entfernt. Dann wieder suchten sie den Kontakt zu schnell oder brachen ihn zu unvermittelt ab.

Als charakteristisches Merkmal des Abends kristallisierte sich heraus, dass die Aufmerksamkeitsökonomien einzelner Beteiligter und Randbeteiligter zu asynchron strukturiert waren. Und, wie so häufig beim Bespielen von Räumen jenseits von Black Box oder White Cube, erwies sich auch bei diesem performativen Begehen der Innen- und Außenanlagen des früheren Transformatorenwerkes Oberspree manch Außenreiz dann doch als wirkungsvoller als die künstlerische Kernproduktion. Wie auch können Performer mit einem im herbstlichen Sonnenuntergang entflammten Himmel konkurrieren, wie er sich am Premierenabend am Spreeufer bot? Selbst die Hunde, die von ihren rücksichtsvoll in die Außenraumbespielung einbezogenen Halterinnen und Haltern immer wieder zum Stöckchen-Apportieren animiert wurden, konnten sich über mehr Aufmerksamkeit freuen.

Da fiel sogar das bei der Ruhrtriennalen-Premiere im vergangenen Jahr eindrücklich beschriebene Ballett der zwei Gabelstapler in ein kleines Wahrnehmungsloch. Kein Vergleich also zu dem Staplerballett, das im Frühjahr Herbert Fritsch bei seinem Projekt „Null“ im fein ausgeleuchteten Kunstraum der Schaubühne vorgeführt hatte.

„Projecting [Space[“ versuchte als ein Gesamtkunstwerk die verschiedenen Reize von Maschinen, Tieren und Performern, von Außen und Innenraum, von dialogischen Sequenzen und Großchoreografie als kompositorische Elemente zu integrieren. Erreicht wurde lediglich eine Abfolge locker gestreuter Effekte. Einprägsam sicherlich waren die Flugversuche mit Ballonseide, die sich mit Luft füllte und einem Gleitschirm, der sich dank horizontaler Bewegung des ihn führenden Performers blähte. Wegen des nur halben Erfolgs fühlte man sich allerdings eher an die holprigen Versuche der Flugpioniere auf dem nahegelegenen einstigen Flugfeld Johannisthal erinnert.

Einprägsam waren die Flugversuche mit Ballonseide, die sich mit Luft füllte

Mit zunehmender Dauer verdichtete sich jedoch der Abend. Gruppenchoreografien füllten den Raum, Musik schwoll an, artifiziell in Resonanzen und Dissonanzen zerlegt, die zuweilen übereinander geschichtet wurden.

Eine Atmosphäre von Beschwörung und Ritual entstand, die die Halle in eine gute Rave-Location verwandelt hätten, wenn die Performer nicht plötzlich selbst den Druck aus dem Kessel gelassen und das Tor zum freien Feld hin geöffnet hätten. Hier gab es noch einen letzten Tanz: Dunkle Rhythmen eines verstärkten Cello (Klaus Janek), zu dem sich „Damaged Goods“ als neuer Post-Techno-, Post-Industrial-Clan bewegte. Inkonsequent aber, dass auch dieser Stammestanz schließlich abgebrochen wurde.

Die Künstler versammelten sich zum Schlussapplaus. Die gerade über den Rhythmus geschaffene kollektive Verbindung war aufgelöst. Auf der Freifläche wieder auf sich selbst zurückgeworfen, konnte man entweder nach Hause streben, überteuerte Getränke an der aus Mitte an den Stadtrand exportierten Bar zu sich nehmen oder schnell noch den Zustand dieses gerade angentrifizierten Areals in Augenschein nehmen – und sich dabei über den eigenen Gentrifizierungsanteil fein still schämen. Raum, so zeigte sich auch bei „Projecting [Space[“, wird niemals in einen unbeschriebenen Raum projiziert.

Wieder 5.–7. Oktober, 19 Uhr, Reinbeckhallen

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