: „Das kann nur jemand sagen, der mich nicht kennt“
Oliver Meier gilt als „Rechtsradikaler“ – wird von denen, die sich als „Antifaschisten“ empfinden, bekämpft – auch als Person. Im August haben „Antifas“ verhindert, dass er ins Kino geht. Wie sieht er sich selbst und die, die ihn bekämpfen?
taz: Herr Meier, die Gründungsidee der taz war vor 40 Jahren: Zeitung für unterdrückte Nachrichten …
Oliver Meier: … das war ein wichtiges Anliegen in Zeiten der Druck-Medien. Heute werden ‚unterdrückte Nachrichten‘ über die sozialen Medien verbreitet. Nach meiner Wahrnehmung bedient die taz mittlerweile ein ideologisch abgesichertes Segment links-konformer Meinungen. Das bedeutet, dass davon abweichende Nachrichten ‚unterdrückt‘ werden. Die Leserschaft erwartet das mittlerweile offenbar.
Machen das nicht alle Zeitungen?
Wenn ich die ‚Junge Freiheit‘ als Gegenpol nehme, dann finde ich da verschiedene Themen, die ich in der heutigen taz niemals erwarten würde. Man kann von Meinungsblasen sprechen, in denen sich Redaktionen und Leser irgendwann gemütlich eingerichtet haben. Ich vermisse da einen interessierten, offenen Blick auf die Themen.
Filterblase – trifft das für die ‚Junge Freiheit‘ auch zu?
Ja, die bedient letztendlich das andere Segment. Offenbar erwarten die jeweiligen Leser, im eigenen Weltbild bestätigt und nicht beim Abgleich der Argumente überfordert zu werden. Opfer- und Täterrollen sind moralisch im Vorwege oft schon festgelegt.
Zum Beispiel?
Silvester 2016/17 wurde ein 15-jähriger syrischer Flüchtling in der Lüssumer Heide in Bremen-Nord von mehreren Personen so brutal getreten, dass er an seinen schweren Kopfverletzungen starb. Das hätte tagelang für Schlagzeilen gerade bei der taz gesorgt, wenn die Täter rechtsradikale Deutsche gewesen wären. Aber die Tatverdächtigen waren yezidisch-kurdischer Abstammung mit Sympathien zur PKK. Die sind im Weltbild der taz offensichtlich nur für eine Opferrolle vorgesehen.
Sie selbst sind als Kinobesucher von der Schauburg wegen Ihrer vermeintlichen politischen Gesinnung rausgeschmissen worden – ein Aufreger-Thema?
Nicht für die taz, da tauge ich offensichtlich nicht für die ‚Opferrolle‘. Es war ein warmer Sommerabend, wir saßen vor Filmbeginn zu zweit mit einem Getränk vor dem Kinoeingang, als unvermittelt eine mir bekannte führende Person der Bremer Antifa lautstark auf dem Gehweg vom Kinobesitzer forderte, dass ich als ‚Rassist‘ das Kino nicht besuchen dürfe. Andere stießen dazu. Ich war sehr überrascht, dass politische Auseinandersetzungen so übertragen werden auf das Privatleben. Der Kinobetreiber beugte sich dem Druck und entschied, dass wir den Film nicht sehen durften.
Terror gegen Privatpersonen erwartet man eher von Rechtsradikalen. Es gab im ersten Halbjahr 2018 mehr als 800 gemeldete gewalttätige Übergriffe auf Flüchtlinge …
Das ist genau der Punkt: Diese Straftaten dürfen in der Beurteilung ja nicht nur von der eigenen Erwartungshaltung abhängig sein. Es muss hier universelle Werte geben, die für alle Menschen Gültigkeit besitzen. Eine Entrechtung oder Dehumanisierung von einzelnen Personen oder Gruppen halte ich für gefährlich. Ich war fünf Jahre lang Mitglied der BIW, ich habe da keinen Rassismus wahrgenommen und kann mit Rassismus selbst auch nichts anfangen. Bedenklich in diesem Zusammenhang finde ich eher Antifa-Äußerungen wie: ‚Deutschland, du mieses Stück Scheiße.‘ Das ist gruppenbezogene Abwertung, Rassismus. Es scheint allgemein ein verbreitetes Bedürfnis zu geben, sich durch Abwertung anderer eine eigene Aufwertung zu verschaffen. Das wirkt schon fast fanatisch-religiös, mit Tendenz zur faschistischen Formensprache. [Kommentar vom Layouter: Puh, ernsthaft?! 2015 warben die „Bürger in Wut“ in Bremen-Nord mit einem Plakat, das ein Foto einer Flüchtlingsunterkunft für delinquente Jugendliche zeigte, mit dem Spruch: „Vollzug statt schöner Wohnen“. Mitglieder der BIW heizten die fremdenfeindliche Stimmung an. Später sagte Meier der taz, er sympathisiere mit dem „Tag der Patrioten“, also einem Hooligan-Aufmarsch, den der Rechtsextremist Thorsten de Vries organisierte. jpb]
Warum und wann sind Sie bei „Bürger in Wut“ ausgetreten?
Das war 2015. Ich habe in mehreren Parteien die Erfahrung gemacht, dass da zu viele egoistische Motivationen unterwegs sind. Ich engagiere mich nicht aus Karriereinteresse, das hängt wohl mit meiner Sozialisation zusammen.
Ihre Eltern sind sehr fromm?
Ja, wobei ich vom Gruppenverhalten mehr von den Christlichen Pfadfindern geprägt bin.
Wann sind Sie bei den Grünen ausgetreten? Und warum?
Vor gut zehn Jahren war das. Die Grünen haben eine sehr verengte Sicht auf die Gesellschaft. Es war damals zum Beispiel undenkbar, dass ein Grüner Senator für Inneres wird. Da hatten viele in der Partei Berührungsängste und die Befürchtung, sich im Verhältnis zur eigenen Ideologie schmutzig zu machen.
Die Grünen sind seit 2007 am Bremer Senat beteiligt und die Finanzsenatorin hat immerhin den Etat für die Polizei erhöht.
Es gibt in Bremen wohl niemanden, der ernsthaft behauptet, die Polizei wäre finanziell gut aufgestellt. Aber unabhängig davon habe ich mich gefragt, warum mein Interesse geschwunden ist, als die Grünen politische Verantwortung übernommen haben. Vielleicht liegt das auch an meiner Grundüberzeugung, dass eine lebendige Demokratie besonders von einer funktionierenden Oppositionsarbeit lebt. Ich habe das kreative Potenzial der Grünen in ihrem Bereich damals auch geschätzt.
In der deutschen Geschichte sind Meinungsfreiheit und das Recht auf Opposition nie so brutal unterdrückt worden wie unter den Nationalsozialisten.
Es gehört zum Wesen des Faschismus, dass abweichendes Denken und Verhalten unterdrückt wird. Diese Mechanismen tauchen immer wieder in Facetten auf. Diese extreme Intoleranz findet auch im Gewand des Antifaschismus in Deutschland seinen verheerenden Nährboden.
Trifft Sie das, wenn Sie als Rechtsradikaler in der Traditionslinie des Faschismus bezeichnet werden?
Ja, natürlich. Das kann nur jemand sagen, der mich nicht kennt. In den 1980er-Jahren wäre ich aufgrund solch einer Beschuldigung zusammengezuckt. Inzwischen wird dieser Vorwurf aber so inflationär für fast alles verwendet, was dem linken Mainstream entgegenläuft. Wenn Probleme dadurch tabuisiert werden, dass diejenigen, die sie artikulieren, stigmatisiert werden, dann halte ich das für eine äußerst demokratiefeindliche Entwicklung. Lösungsorientierung geht anders.
Der AfD-Politiker Höcke hat erklärt, das Holocaust-Mahnmal in Berlin sei ein „Denkmal der Schande“.
Björn Höcke eignet sich für mich persönlich nicht als Identifikationsfigur. Er prägt durch seine nationalistischen Provokationen erheblich das aktuelle Bild der AfD mit. Damit muss man sich nun auseinandersetzen, ob man will oder nicht.
Oliver Meier, ist Wohnwagenhändler und war bis 2015 Mitglied der rechtspopulistischen Partei „Bürger in Wut“ (BIW) in Bremen.
Sie finden solche Ansichten nicht so schlimm?
Jede Generation hat das Recht, gesellschaftliche Übereinkünfte in Frage zu stellen, dazu gehört auch die Erinnerungskultur an die Schrecken des Holocaust. Wir leben glücklicherweise in einem relativ freien Land, was uns diese Auseinandersetzung ermöglicht. Höcke kann diese Meinung haben, ich teile sie nicht. Unsere Generation hat unstrittig den Auftrag, auf die Gefahren und Auswirkungen von Faschismus hinzuweisen. Die Art und Weise, wie dies dann sinnvoll geschieht, ist verhandelbar.
Nicht nur bei den islamischen Migranten, auch im Umfeld der AfD gibt es ein nostalgisches Bedürfnis nach einer homogenen Glaubensgemeinschaft.
Die Frage ist ja, ob die Menschen aus eigenem Antrieb mit den gesellschaftlichen Veränderungen Schritt halten können. Viele Deutsche wollen nicht einer Minderheit zwischen anderen Communitys angehören, sie verstehen sich noch immer als Mehrheitsgesellschaft. Das führt dann unweigerlich zu Irritationen. Jede Frau, die sich hier vollverschleiert durch den öffentlichen Raum bewegt, signalisiert Außenstehenden damit, dass sie unsere freiheitliche Kultur vom Grundsatz her nicht zu schätzen weiß oder gar ablehnt. Wer zum Beispiel auf die Scharia großen Wert legt und das Grundgesetz nicht akzeptieren kann, ist in Deutschland derzeit falsch aufgehoben und sollte besser in ein Land gehen, in dem dies positive Resonanz erfährt.
Es gibt nur wenige ‚Ungläubige‘ in Bremen, die so gute Kontakte wie Sie zu strenggläubigen Muslimen haben, den sogenannten ‚Salafisten‘.
Ist das so? Durch Kontakte in verschiedenen Milieus wird für mich vieles begreifbar. Berührungsängste habe ich da kaum, egal, um welche Gruppierung es sich handelt. Ich versuche, ihnen gegenüber Respekt zu entwickeln. Unsere Kultur ist offensichtlich für viele dieser Menschen nicht so attraktiv, wie wir es vielleicht meinen. Sie lehnen Integration bewusst ab.
Sie betreuen eine syrische Flüchtlingsfamilie in einer Weise, die Vertreter der Willkommens-Kultur bewundernswert finden müssten. Gilt für die nicht ‚Ausländer raus‘?
Das ist am Ende eine Frage des Integrationswillens. Diese muslimische Familie hatte nach zwei Jahren in Deutschland ihren ältesten Sohn verloren. Die Tätergruppierung wohnte in derselben Straße. In dieser Situation war für mich klar, dass sie Unterstützung brauchen. Es ist ein harter Prozess für sie, einen Zugang zu unserer Gesellschaft zu finden. Dabei helfe ich ihr seit fast zwei Jahren. Ich rede mit ihnen, wenn die 12-jährige Tochter zum Schwimmunterricht in der Schule angemeldet werden soll. Das wäre für den Vater bei der Ankunft in Deutschland sicher noch undenkbar gewesen. Er fühlt sich sicher als Familienoberhaupt sehr gefordert von vielen Alltagssituationen. Für die Eltern gilt sicher, dass sie sich hier noch lange fremd fühlen werden und möglicherweise ihr Zuhause nur in einer ‚Parallelgesellschaft‘ finden können. Eine Art ‚Ethnopluralismus‘ im Kleinen.
Interview Klaus Wolschner, taz-Redakteur von 1979 bis 2013
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