: EndeeinerAffäre
Der SPD-Politiker Joachim Wolbergs kämpft um seine Ehre: In Regensburg hat jetzt der Prozess gegen den Oberbürgermeister begonnen. Für ihn geht es um alles.
Aus Regensburg Dominik Baur
Plötzlich ist ein Bild von Uwe Barschel an der Wand des Saals 104 des Regensburger Landgerichts zu sehen. Das berühmte Foto mit der Badewanne. Eine Fotomontage allerdings: der Kopf des toten CDU-Politikers ist durch den des Regensburger Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs ersetzt. Dazu das Zitat: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort.“ Peter Witting, Wolbergs’ Anwalt, hat das Bild, das 2016 in der örtlichen Stadtzeitung erschien, an die Wand werfen lassen. Es soll zu Beginn des Korruptionsprozesses gegen seinen Mandanten seine Philippika gegen Medien und Staatsanwaltschaft untermauern.
„Es geht um das Schicksal eines Menschen“, ruft Witting in den Gerichtssaal. Ihm gelte es gerecht zu werden. Stattdessen gebe es eine „mediale Hinrichtung“ des Politikers. „Man hat meinen Mandanten vernichtet. Und das werden wir hier auch nicht mehr korrigieren können.“ Vor allem die sechswöchige Untersuchungshaft, die Wolbergs Anfang 2017 antreten musste, habe ihm zugesetzt und sei unnötig gewesen.
„Herr Wolbergs, wie geht’s Ihnen“, fragt eine Journalistin am Morgen, kurz bevor die Richter den Saal betreten, über die Absperrung hinweg in Richtung Anklagebank. Keine Reaktion. Wolbergs starrt ins Nichts, seine Miene eingefroren, die Hände verschränkt auf dem Tisch.
Wolbergs war einmal einer der großen Hoffnungsträger der bayerischen SPD, doch seit zwei Jahren steht er im Visier der Ermittler. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 47-Jährigen Vorteilsannahme und Verstoß gegen das Parteiengesetz vor. Eigentlich ist sie sogar davon überzeugt, dass sich der Politiker hat bestechen lassen, doch diesen Vorwurf hat die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Regensburg nicht zugelassen. Vom Amt ist er suspendiert, Regensburg wird seit Anfang 2017 kommissarisch geführt. Die Dienstgeschäfte versieht Wolbergs’ Stellvertreterin, Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer.
Im Zentrum des Verfahrens steht eine Spende des Bauunternehmers Volker Tretzel an Wolbergs’ SPD-Ortsverein Regensburg-Stadtsüden über rund 475.000 Euro. Um die Herkunft des Geldes zu verschleiern und unter der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro zu bleiben, soll Tretzel das Geld in Beträge von 9.900 und 9.990 Euro gestückelt und über Strohmänner an den Ortsverein gezahlt haben. Mit dem Geld soll Wolbergs unter anderem einen Großteil des Wahlkampfs 2014 bestritten haben.
Daneben soll Tretzel Wolbergs persönliche Vorteile wie Vergünstigungen beim Wohnungskauf und Renovierungsarbeiten zukommen lassen haben. Wolbergs seinerseits soll sich dafür stark gemacht haben, dass die Firma Bauteam Tretzel (BTT) bei der Vergabe begehrten städtischen Baulands auf dem Areal der ehemaligen Nibelungenkaserne den Zuschlag bekommen habe. Gemeinsam mit Wolbergs und Tretzel stehen auch der frühere SPD-Fraktionschef im Regensburger Stadtrat, Nobert Hartl, sowie Franz W., ein ehemaliger Mitarbeiter Tretzels, vor Gericht.
Den Prozess leitet Elke Escher. Die Richterin hat Erfahrung mit besonderen Verfahren. Im Jahr 2014 hat sie bereits das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath geleitet, das damals deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hat. Im Vergleich zum jetzigen Prozess war das jedoch eine Kleinigkeit. 70 Verhandlungstage hat Escher angesetzt, sicherheitshalber aber noch ein paar mehr freigehalten. Es dürfte der längste Prozess in der Regensburger Justizgeschichte werden – wenn er denn fortgesetzt wird. Nach Redaktionsschluss hatte das Gericht noch über einen Antrag auf Verfahrenseinstellung zu entscheiden. Der Anwalt des BTT-Mitarbeiters hatte bemängelt, dass die Staatsanwaltschaft ihre Klageschrift nach den Einwänden des Gerichts nicht komplett überarbeitet habe.
Aber auch nach dem Prozess wird es noch offene Fragen geben. So laufen aktuell auch gegen drei CSU-Politiker Ermittlungsverfahren: gegen Wolbergs Vorgänger Hans Schaidinger, seinen Gegenkandidaten bei der OB-Wahl, Christian Schlegl und den Regensburger Landtagsabgeordneten Franz Rieger. Letzterer kämpft gerade um den Wiedereinzug in den Landtag – der in den vergangenen Woche seine Immunität aufgehoben hat. Rieger wird ebenfalls verdächtigt, während des letzten Landtagswahlkampfes über Strohmänner etliche Spenden von Bauunternehmern entgegengenommen zu haben.
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