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Attacke auf „Schalom“ in Chemnitz

Antisemitische Aktion gegen Restaurant wird erst nach zehn Tagen bekannt. Kretschmer will Wirt besuchen

Von Michael Bartsch, Dresden

Nach Bekanntwerden des Überfalls auf das jüdische Restaurant „Schalom“ in Chemnitz am 27. August solidarisiert sich die sächsische Staatsregierung mit dem Betreiber. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) telefonierte am Freitag mit Uwe Dziuballa und wird ihn in Kürze besuchen.

Das tat am Wochenende auch Innenminister Roland Wöller (ebenfalls CDU). Kretschmer reagierte auf einen Brief, den der Wirt an ihn geschrieben hatte und in dem er die Attacke schildert. Der Ministerpräsident bezeichnet sie dar­aufhin als „eine ganz schändliche Tat“. Das seit 2000 bestehende Restaurant erlebte zwar schon Anfeindungen, aber dem Wirt zufolge noch ­keinen Anschlag dieses Ausmaßes.

Nach dem tödlichen Messerangriff auf Daniel H. und den teils wüsten Demonstrationen an den folgenden Tagen waren an jenem Montagabend auch ein Dutzend vermummter Männer vor dem Lokal aufgezogen. Wirt Dziuballa wurde seinen Erzählungen zufolge durch Geräusche auf sie aufmerksam. Flaschen und Gegenstände ­beschädigten Fensterscheiben. Eine habe ihn an der Schulter getroffen, als er vor das koschere Restaurant trat. „Judensau, verschwinde aus Deutschland“, hätten die Angreifer gerufen, bevor sie flüchteten. Der Wirt konnte sie fotografieren und erstattete Anzeige. Es sei alles sehr schnell gegangen, berichtete er „MDR Aktuell“. Die Polizei sei bereits nach ein bis zwei Minuten eingetroffen, Ermittlungsbeamte aber tauchten erst zehn Tage später auf.

Die sächsischen Strafverfolgungsbehörden stehen nun erneut in der Kritik, weil der Anschlag erst eineinhalb Wochen später bekannt wurde. Diesen Umstand bezeichnete das Jüdische Forum für Demokratie und Antisemitismus als „ungeheuerlich“. Ermittlungen führt wie stets in solchen Fällen das im Vorjahr gegründete Operative Abwehrzentrum OAZ in Leipzig. Der ehemalige Grünen-Parteichef Cem Özdemir warf auch die Frage auf, warum Ministerpräsident Kretschmer den Fall nicht in seiner Regierungserklärung vom vorigen Mittwoch erwähnt habe.

Inzwischen kommentieren weitere Bundespolitiker den Anschlag. Volker Kauder, Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, bezeichnete alle Chemnitzer Angriffe als „Angriff auf unsere Werteordnung“ und verlangte eine gründliche Untersuchung. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein sprach von einer „neuen Qualität antisemitischer Straftaten“.

Lokalbetreiber Dziuballa lässt sich unterdessen nicht einschüchtern. „Ich fühle mich nicht bedroht in Chemnitz“, sagt er der Nachrichtenagentur dpa. „Ich mache mir – wenn überhaupt – Gedanken über die Entwicklung des Landes an sich.“

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