: Die Falte ist ein Möglichkeitsraum
Raster, Gitter, Elemente. „Die gefaltete Stadt“ von Claudia von Funcke im Saalbau Neukölln
Von Katrin Bettina Müller
Geht es da rauf oder runter? Ist das ein Blick von oben nach unten oder umgekehrt? Schaue ich dort auf eine Fläche oder in die Tiefe? Solche visuellen Verwirrspiele, die unmögliche Raumordnungen suggerieren und das Orientierungsvermögen strapazieren, kennt man aus den Grafiken von M. C. Escher. In der Ausstellung „Die gefaltete Stadt“ der Berliner Künstlerin Claudia von Funcke wird das Sehen auf eine ähnliche Probe gestellt.
Doch nicht das Fantastische ist ihr Ausgangspunkt sondern das Reale. Sie nimmt die Architektur in den Blick, die Moderne seit den 1960er Jahren und die Gegenwart großer Bauprojekte in Berlin, London und Kairo. In ihren Fotografien, Skulpturen, Videoinstallationen und Collagen spitzt sie zu und schreibt fort, was sie dort als Merkmale eingesammelt hat: grafische Raster, Gitterstrukturen, vorkragende und sich verzahnende Elemente.
Claudia von Funcke ist Bildhauerin und Fotografin. In beiden Medien stößt sie sich an vorgefundenen Raumkonstruktionen ab und reflektiert einen Formenkanon, der teils ästhetisch bewusst eingesetzt wird, teils aber auch ohne gewollte Formgestaltung der Funktion geschuldet ist. Das lässt viele ihrer Skulpturen, von denen drei für ihre Ausstellung im Neuköllner Saalbau entstanden sind, zugleich vertraut und fremd anmuten. Immer hat man schon etwas Ähnliches gesehen, kann es nur nicht zuordnen.
In ihrer Ausstellung „Die gefaltete Stadt“ baut sie einer Wand ein paar Falten ein, bevor sie darauf Bilder projiziert von Fassaden, Baustellen und Kränen, die sich ineinander und übereinander schieben. Eine Falte ist auch immer ein Möglichkeitsraum, ein nicht jederzeit einsehbares Segment, aus dem etwas Weiteres hervorkommen kann. Durch den Schnitt ihrer Architekturbilder aus London, durch die Verschränkung von gerasterten Strukturen, durch den gefalteten Projektionsgrund entsteht so der Eindruck, auf eine gigantische Struktur zu schauen, die sich aus eigenen Kräften immer weiter fortsetzen kann, aus ihren Falten und Öffnungen weiter immer mehr von dem herausdrängt, was in ihrem Bauplan vorgesehen ist.
Menschen, Bauarbeiter, Bewohner oder andere Nutzer dieser riesigen Strukturen kommen in den Arbeiten von Claudia von Funcke nicht vor. Nur im Sound der Videoinstallation „Disrupting London“ sind auch Verkehrsgeräusche zu hören, ansonsten erscheint die Architekturmaschine beinahe als ein autonomes System.
In ihren Fotografien von Fassaden und Baustellen, oft in Schwarzweiß, rücken die grafischen Muster in den Vordergrund, sie nähern sich Abstraktionen, die wiederum etwas Malerisches erhalten. Die Materialität der Architektur, ihre Masse, das Verhältnis ihrer Größe zur Umgebung kommt dabei nicht in den Blick. Das ist schade, denn was so fehlt, ist der Anknüpfungspunkt, um in ein Verhältnis zu diesen Raumordnungen zu treten. Ein Modell für eine soziale Ordnung kann man in ihnen nicht finden.
In einer anderen Fotoserie beschäftigt sich die Künstlerin mit Details. Man sieht Parkettboden, Rolltreppen, Kanten, unregelmäßige Winkel, angeschrägte Flächen. Der Raumlogik kann man nicht folgen und denkt an einen zerstückelten, collagierten Raum. Tatsächlich aber zeigen die Fotografien Räume dort, wo Spiegel für optische Erweiterungen sorgen.
„Die gefaltete Stadt“, Galerie im Saalbau, Mo.–So.10–20 Uhr, bis 7. Oktober
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